nd-aktuell.de / 02.01.2007 / Brandenburg
Noch nichts Neues für Neuhardenberg
Schon seit Jahren ringt der Flugplatz vergeblich um eine Landeerlaubnis für große Maschinen
Andreas Fritsche
Noch steht das Auto an der Ampel. »Zukunft für das Oderland« steht am Rand auf dem in der Heckscheibe angebrachten Aufkleber. Als der Pkw losfährt, ist nur noch der größer gedruckte Schriftzug in der Mitte zu lesen: »Ja zum Flughafen!« Jetzt biegt das Auto links ab in die Oderbruchstraße. Der Weg führt zum Neuhardenberger Airport.
Die Aufkleber der Bürgerinitiative Pro Airport Neuhardenberg pappen auch an den Schaufenstern von Geschäften. Das Thema ist wichtig hier. Es geht um die irische Billigfluglinie Ryanair, um viele Arbeitsplätze, um die Zukunft der Gemeinde. Aber auch um die Zukunft der Region. Da ist es kein Zufall, dass der Sprecher der Bürgerinitiative, Uwe Hädicke, gar nicht in Neuhardenberg wohnt, sondern in Seelow. Allerdings ist Hädicke nur weggezogen. Mit dem Flugplatz ist er »groß geworden«.
Spuren der MiG-21
Die militärische Vergangenheit ist noch immer unübersehbar. Entlang der Rollbahnen gruppieren sich grasbedeckte Hügel mit geöffneten Metalltoren und Wallanlagen. Es handelt sich um alte Stellplätze für Kampfflugzeuge vom Typ MiG-21, bekanntlich aus sowjetischer Produktion. Anstatt des üblichen Towers verfügt Neuhardenberg über eine bunkerähnliche Flugleitzentrale.
Unscheinbar sind die mit Holz abgedeckten Vertiefungen neben der Start- und Landebahn. Heiko Schlotte weiß, dass sich dort früher die Stationen befanden, von denen die MiGs betankt wurden. Schlotte kennt sich aus. Er kam im Juni 1974 nach Neuhardenberg, das damals Marxwalde hieß. Schlotte diente sich beim Bodenpersonal vom Zugführer hoch zum Major, war zuletzt stellvertretender Kommandeur des Fliegertechnischen Bataillons 8, das hier neben der Regierungsstaffel stationiert war. Der definierte Kampfauftrag damals: Schutz der Hauptstadt der DDR, des Petrolchemischen Kombinats in Schwedt und der Stahlindustrie in Eisenhüttenstadt.
Mittlerweile arbeitet Schlotte für den privaten Flugplatz-Eigentümer Dieter Vornhagen. Gegner ist aktuell nicht mehr die NATO, sondern die Landesregierung in Potsdam. Die sperrt sich dagegen, dass die irische Billigfluglinie Ryanair ihre gegenwärtig zwei Maschinen aus Schönefeld abzieht und sich im großen Stil in Neuhardenberg engagiert.
Landen, Tanken, Starten
Das Konzept von Ryanair ist schnell erklärt: Landen, Aussteigen, Einsteigen, Auftanken und wieder starten innerhalb von 25 Minuten, dadurch mehr fliegen und billiger sein als die Konkurrenz. Doch spätestens wenn der Großflughafen 2011 fertig ist, werde das in Schönefeld nicht mehr möglich sein, erläutert Dieter Vornhagen, warum Ryanair eines Tages an seine Bürotür klopfte.
Um Neuhardenberg für Ryanair fit zu machen, müsste nicht allzu viel getan werden. Die Beleuchtungsanlage für den Anflug bei Nacht wäre zum Beispiel zu reparieren und ein Terminal fehlt noch. Aus dem fahrenden Pkw zeigt Schlotte, wo die Abfertigungshalle hin soll: neben die Flugleitzentrale könnte man den Bau setzen und dabei ein altes Kantinengebäude mit Aufenthaltsräumen für die Jagdflieger einbeziehen.
Die Landebahn wirkt etwas holperig, ist aber mit 2400 Metern lang genug. Wo früher Iljuschin und Tupolew aufsetzten und später Jumbo-Jet und Airbus, da sind die 80 Tonnen schweren Boing 737-800 aus der Flotte von Ryanair ein Klacks. Aber seit 1993 sind hier nur noch 40 Tonnen erlaubt und die Luftverkehrsbehörde weigert sich, die früheren Verhältnisse wieder zu genehmigen.
Zwar versprach Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) bei einem Besuch in der Gemeinde Hilfe. Gemeint war da aber nur die Suche nach anderen Investoren. Nach Auskunft von Regierungssprecher Thomas Braune will das Kabinett lediglich die »gesetzlich mögliche Unterstützung« leisten, falls Firmen in Neuhardenberg investieren möchten und dies auch nur »unter Beachtung der landesplanerischen Vorgaben«. Das heißt im Klartext: Freiwillig gibt es kein grünes Licht für Ryanair.
Schönefeld lässt eine Lücke
Dieter Vornhagen ließ die Hoffnung auf eine politische Lösung inzwischen fahren und will eine juristische Entscheidung. Vor einigen Wochen beantragte er die Wiederaufnahme des zwischenzeitlich ruhenden Verfahrens am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Mit einem Termin rechnet Vornhagen im ersten Quartal 2007. Dabei betont der Airport-Chef, dass er Schönefeld keine Konkurrenz machen, sondern in eine Lücke stoßen wolle. Vornhagen rechnet vor: »360 000 Starts und Landungen pro Jahr genehmigte das Bundesverwaltungsgericht dem Großflughafen. Berücksichtigt man das Nachflugverbot, dann ergibt das eine Flugbewegung pro Minute. Um 18 Millionen Passagiere jährlich abzufertigen, müssen also in jeder Maschine mindestens 100 Personen sitzen. Für eine kleine Cessna ist da kein Platz mehr.«
Hoffnung auf 550 Jobs
Ist der Flughafen am Ende, wenn Ryanair nicht kommen darf? »Der Flughafen geht nicht Pleite, die Region geht Pleite«, warnt Vornhagen. Für den Kreis Märkisch-Oderland handelt es sich um das größte Infrastrukturprojekt. Im Verwaltungsgebäude des Flughafens stapeln sich die Bewerbungen. 2300 Schreiben sind eingegangen. Die Palette reiche vom Hilfsarbeiter bis zum Ingenieur, erzählt Schlotte. Da sind Leute dabei, die einst hier ihre Brötchen verdienten, wegen der Arbeitslosigkeit nach Bayern zogen und nun zurück wollen. Seit 1990 gingen von 4000 Einwohnern 1700 weg. Viele Wohnungen stehen leer. 2500 Leute waren zu DDR-Zeiten am Militärflughafen tätig: Offiziere, Soldaten und Zivilbeschäftigte. Heute hat Vornhagen 20 Mitarbeiter. Von Ryanair verspricht man sich 550 Jobs.
Was das für eine Gegend mit sehr hoher Erwerbslosenquote bedeutet, kann sich nicht zuletzt der ehrenamtliche Bürgermeister Mario Eska (Linkspartei) gut vorstellen. Der gelernte Feinmechaniker ist selbst seit Jahren ohne Stelle. Fluglärm ist hier angesichts solcher Tatsachen geradezu erwünscht. Es meldete sich bisher niemand im Ort, der das anders sieht, versichert Eska. Traumhafte Bedingungen für Airlines. Die Frage ist, ob es beim Träumen bleibt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/102809.noch-nichts-neues-fuer-neuhardenberg.html