nd-aktuell.de / 12.10.2016 / Politik / Seite 1

Neuaufführung von Kohls Unvollendeter

25 Jahre nach dem Bundestagsvotum für Berlin als Hauptstadt wird noch immer auch von Bonn regiert

Gabriele Oertel

Das ist doch mal ein persönlicher Einsatz. Die Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat in ihrer Eigenschaft als Berlin-Bonn-Beauftragte der Bundesregierung am Dienstag gleich zwei Pressekonferenzen abgehalten: eine am Rhein und eine an der Spree. So, als wollte sie den dabei vorgestellten sogenannten Statusbericht Berlin/Bonn durch eigenes Erleben aufpeppen. Und womöglich kann sie ja tatsächlich die darin festgehaltene mehrheitliche Erfahrung von Ministeriumsmitarbeitern hie und da nachfühlen, dass die Teilung der Regierungsverantwortung - acht Ministerien haben ihren Hauptdienstsitz in Berlin und sechs in Bonn - höheren Arbeitsaufwand und geringere Effizienz bedeuten. Denn alle 14 Ministerien haben in der jeweils anderen Stadt einen Ableger. Folgen: fast 21 000 Dienstreisen im Jahr 2015, Tonnen Postverkehr, Arbeitszeitverluste - und Kosten, die bei 7,5 Millionen Euro im Jahr gehandelt werden.

Als nach der äußerst emotionalen Bundestagsdebatte am 20. Juni 1991 und einer denkbar knappen Abstimmung mit einem Unterschied von nur 17 Stimmen Berlin zur Hauptstadt des einig Vaterlandes wurde, war absehbar, dass es sich beim Regierungsumzug um einen längeren Prozess handeln würde. Doch selbst die zähesten unter den 320 Bonn-Befürwortern dürften kaum erwartet haben, dass nach einem Vierteljahrhundert noch immer 35 Prozent der knapp 20 000 Ministeriumsmitarbeiter - wenn auch mit abnehmender Tendenz - in Nordrhein-Westfalen beheimatet sind.

Die putzigen Wir-bleiben-in Bonn-Aktionen Anfang der 90er Jahre mit den bunten Zetteln in fast jeder regierungsamtlichen Stube in Bad Godesberg, aber auch in Schaufenstern von Bäckereien und Gaststätten, haben offensichtlich erhebliche Langzeitwirkung. Freilich unterstützt vom 1994 erlassenen Bonn-Berlin-Gesetz, in dem der Stadt am Rhein angemessener Ausgleich und eine dauerhafte und faire Arbeitsteilung zwischen alter und neuer Hauptstadt zugesichert wurden.

Dass sich NRW-Landesregierungen wie diverse Bonner Oberbürgermeister bis heute darauf berufen und einen Komplettumzug ablehnen, ist logisch. Und vermutlich auch der Grund, warum sich die vom Niederrhein stammende Ministerin zwar zu zwei Pressekonferenzen, aber keiner Handlungsempfehlung durchringen konnte. Worauf ihre Schlussfolgerung aus Statusbericht und persönlichem Wandertag, man müsse die ungesteuerte Entwicklung in einen gesteuerten Prozess überführen, letztlich hinausläuft, wird sich wohl erst nach weiteren 20 Jahren zeigen. Drei Viertel der in Bonn Beschäftigten Ministeriumsmitarbeiter gehen laut Hendricks Befund in diesem Zeitraum nämlich in den Ruhestand. Dass Helmut Kohl bei der Verwirklichung der deutschen Einheit in diesen Zeiträumen gedacht hat, ist kaum zu glauben. Mit Agenturen