nd-aktuell.de / 13.10.2016 / Berlin / Seite 9

Mieten steigen unaufhaltsam

Auch im weiteren Umland Berlins wird Wohnen immer teurer

Nicolas Šustr

9,89 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, zu diesem Mittelwert wurden im ersten Halbjahr 2016 in der Hauptstadt Wohnungen neu vermietet. Das alles ohne Heiz- und Betriebskosten, wohlgemerkt. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Wohnungsmarktbericht Ostdeutschland der TAG Immobilien AG hervor. Damit stiegen die Mieten in den letzten fünf Jahren um 49 Prozent. Allein im Vergleich zu 2015 sind das fast acht Prozent Steigerung. Allerdings gilt es zu beachten, dass es sich nicht um den Durchschnittspreis handelt, sondern um den sogenannten Median, also den Wert, der genau in der Mitte zwischen Maximal- und Minimalpreis handelt.

»Die Zahlen zeigen, dass die Mietpreisbremse offensichtlich nicht funktioniert«, sagt LINKEN-Stadtentwicklungsexpertin Katrin Lompscher. »Bei einer Änderung des Gesetzes müssen auch Neubauten einbezogen werden, dort gibt es bisher überhaupt keine Begrenzung«, fordert die Politikerin. »Die Tatenlosigkeit der Bundesregierung schadet den wohnungsuchenden Mietern jeden Tag«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.

Der fast ungebremste Mietenanstieg hat auch damit zu tun, dass in der Hauptstadt immer mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen. Zwischen Anfang 2015 und 30. April 2016 sank die Zahl der preisgebundenen Wohnungen um 20 000 auf nur noch 115 411.

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften können den Bedarf an preisgünstigem Wohnraum nicht ansatzweise decken, wie die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des CDU-Abgeordneten Alexander Herrmann ergibt. Zwischen 2011 und 2015 wurden fast 27 000 Anträge auf Wohnberechtigungsscheine (WBS) mit besonderer Dringlichkeit gestellt. Tatsächlich vermietet an WBS-Inhaber wurden in der Zeitspanne von den Landeseigenen nur 1096 Wohnungen. Weitere 5172 Wohnungen gingen an von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit bedrohte Personen. Insgesamt fehlt Wohnraum in der Stadt. Seit Jahren hinkt die Zahl der Fertigstellungen dem enormen Zuzug hinterher. Allein zwischen 2010 und 2015 wuchs die Einwohnerzahl um über 220 000 Personen, während nur 35 000 Wohnungen hinzukamen. Das macht sich auch im Umland bemerkbar. In Strausberg stieg der Median bei Neuvermietungen laut TAG-Wohnungsmarktbericht seit 2011 um 30 Prozent auf nun 6,84 Euro pro Quadratmeter, in Nauen im Havelland gingen die Mietpreise um 28 Prozent hoch auf 6,37 nettokalt. In Brandenburg/Havel werden nun 5,32 Euro pro Quadratmeter verlangt (plus 12 Prozent) und in Eberswalde 5,80 Euro (plus 22 Prozent). »In Anbetracht des hohen Berliner Mietenniveaus bei Wiedervermietung ist es nicht verwunderlich, dass sich die Nachfrage zunehmend auch auf nahe Brandenburger Städte richtet«, sagt Reiner Wild.

»Im Speckgürtel verzeichneten unsere Mitgliedsunternehmen in den letzten zwei Jahre 90 Prozent mehr Zuzug«, bestätigt David Eberhart, Sprecher des von kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen getragenen Verbandes Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU).

»Für Städte wie Eberswalde oder Strausberg ist das durchaus eine positive Entwicklung«, sagt Andreas Otto, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Allerdings drohten auch dort Übertreibungen bei den Preisen. »Berlin und Brandenburg müssen viel enger bei der Frage zusammenarbeiten, wo Wohnungen entstehen können«, sagt er. Eine Linie, hinter der auch der BBU steht. »Es ist langfristig gesehen günstiger, die Verkehrsanbindung mit Brandenburg auszubauen, als in Berlin auf Teufel komm raus zu bauen«, sagt Eberhart. »Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist daher das Ausweichen auf entfernte oder gar ländliche Wohnstandorte keine Lösung«, findet Wild vom Mieterverein. Höhere Mobilitätskosten und längere Wegezeit seien der Preis.

Mietpreisdämpfende Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene fordert Katrin Lompscher. Und mehr Förderung für Genossenschaften und landeseigene Wohnungsunternehmen, damit sie preiswert vermieten können. »Man muss stärker auf die Einstiegsmieten achten«, sagt der Grüne Otto. Kommentar Seite 4