nd-aktuell.de / 18.10.2016 / Politik / Seite 8

Gut gemeint, doch einfach zu unterlaufen

Viel Kritik am Gesetzentwurf der Großen Koalition zu Leiharbeit und Werksverträgen

Fabian Lambeck

»Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Arbeit durch Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen entwertet wird«, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vor wenigen Tagen im Parlament zur Verteidigung ihres Gesetzentwurfes zur Leiharbeit. Das Paragrafenwerk befindet sich derzeit im parlamentarischen Prozess und soll, so die Ministerin, verhindern, »dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer dauerhaft zu niedrigeren Löhnen als die Stammbeschäftigten in der Einsatzbranche eingesetzt werden.« Equal Pay, also gleiche Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbelegschaft, soll es laut Entwurf spätestens nach neun Monaten im Betrieb geben. Zudem sieht das Gesetz eine »Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten« vor.

Was auf den ersten Blick so wirkt, als würde es den etwa eine Million Leiharbeitern tatsächlich viele Verbesserungen bringen, wird von vielen kritisiert. Die schärfste Kritik kommt dabei nicht von den Arbeitgebern, sondern aus der Opposition und aus dem Gewerkschaftslager.

Bevor sich der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am Montag mit dem Entwurf in einer Anhörung beschäftigen konnte, beklagte DGB-Vize Annelie Buntenbach die »massive Einflussnahme von Arbeitgeberlobby und Wirtschaftsflügel der Union«. Tatsächlich wurde hinter den Kulissen heftig gerungen um den Entwurf. Buntenbach kritisierte, dass »die Begrenzung der Leiharbeit auf 18 Monate nicht an den Arbeitsplatz gebunden sein« soll. Das bedeute, so die Gewerkschafterin, »diese Begrenzung kann durch den Austausch von Personen unterlaufen werden.« Die IG Metall fürchtet die Gefahr eines »Drehtüreffekts« mit »rotierenden Einsatzsystemen«.

Eine Sicht, die auch einige der vom Ausschuss geladenen Experten teilten. Etwa die Professorin für Arbeitsrecht und ehemalige Arbeitsrichterin Christiane Brors. Die Juristin befürchtet, dass Stammbelegschaften auf demselben Arbeitsplatz dauerhaft durch Leiharbeiter ersetzt werden könnten.

Die Professorin warnte zudem davor, dass die Arbeitgeber mit dieser Masche die Regelungen zum Equal Pay ganz einfach unterlaufen werden. Sie bräuchten nur die Werktätigen austauschen, bevor diese die Neun-Monats-Grenze erreicht haben, ab der gleicher Lohn gezahlt werden müsste, so Brors. Besonders perfide: Nach dreimonatiger Auszeit könnten sie dieselben Leiharbeiter wieder einstellen - zu den alten Bedingungen. Diese müssten dann wieder neun Monate ackern, bis sie ein Anrecht auf Equal Pay hätten. Doch die meisten Leiharbeiter werden gar nicht in die Verlegenheit kommen, denn mehr als die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse auf Zeit endet nach maximal drei Monaten, zwei Drittel spätestens nach sechs Monaten.

Und so hielt sich die Kritik der Experten der Unternehmerseite am Montag auch in Grenzen. Thomas Bäumer von der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit etwa beklagte den bürokratischen Mehraufwand durch Equal Pay. So sei nicht klar, welche Gehaltsbestandteile von der Regelung erfasst seien. »Am Ende werden die Arbeitnehmer die Verlierer sein«, prophezeite Bäumer. Allerdings sind es die Arbeitgeber, denen Sanktionen drohen, falls sie gegen das Gesetz verstoßen.

Der Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sah keinen Anlass für weitere Verschärfungen: »Es gibt schon heute Sanktionen beim Missbrauch von Leiharbeit«.

Doch auch die Gewerkschaften zeigten sich mit Teilen des Gesetzentwurfes zufrieden. So lobte die IG Metall in ihrer Stellungnahme »die nun vorliegende Regelung als einen begrüßenswerten Schritt in Richtung mehr Ordnung am Arbeitsmarkt«. Allerdings hatten auch die Metaller einiges zu bemängeln. So sei es bedauerlich, »dass der Gesetzentwurf an einigen Stellen hinter seine Vorgängerversionen zurückgefallen ist«. Insbesondere die Regelungen zu Werksverträgen seien nicht präzise genug. Ziel müsste es seien, dass die betrieblichen Praktiker vor Ort »ohne rechtswissenschaftliche Expertise« erkennen müssten, »ob es sich um einen Scheinwerksvertrag handelt oder nicht«. Kommentar Seite 4