Die Überraschte

PERSONALIE

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 2 Min.

Dass sich der Berliner CDU-Vorsitzende und Innensenator Frank Henkel nach der desaströsen Wahlniederlage seiner Partei nicht mehr lang im Sattel halten können wird, war - außer ihm selbst - allen klar. Dass es so schnell gehen würde, eine geeignete Nachfolgerin zu finden, überrascht hingegen nicht nur politische Beobachter. Denn nicht nur ist es eine undankbare Aufgabe, den Scherbenhaufen Großstadt-CDU zu kehren, Monika Grütters war außerdem mit ihrem aktuellen Job sehr zufrieden: Noch vor kurzem nannte sie ihr Amt als Kulturstaatsministerin eine »Lebenserfüllung«, ihren Arbeitsplatz in der achten Etage des Bundeskanzleramts als »schönstes Büro Deutschlands«. Auch sie selbst scheint von ihrer Nominierung am Freitagabend überwältigt. Dem »nd« sagte sie: »Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich und meine Ideen jetzt erstmal sortieren möchte - vor der Nominierung konnte ich ja nun gar nichts tun, und jetzt mache ich einen Plan, wie ich vorgehe. Aber zuerst haben ja die Parteimitglieder das Recht, etwas von mir zu hören.«

Dass die neue Vorsitzende nun schon am 2. Dezember und nicht wie geplant im nächsten Juni gewählt werden soll, sowie der Fakt, dass mit Grütters eine der fünf Frauen des 25-köpfigen Landesvorstands den Chefposten übernehmen soll, ist auch der Sexismus-Debatte zu verdanken, die die Bezirksverordnete Jenna Behrends entfacht hatte. Auch dazu hatte sich Grütters positioniert: »Sexismus hat in einer modernen Großstadtpartei keinen Platz.« Nichts weniger als das wird ihre Aufgabe sein: Die CDU Berlin, von alten, weißen Männern dominiert, in eine moderne Großstadtpartei zu verwandeln, die anschlussfähig ist für neue Koalitionen. Dass sie gleichzeitig durchsetzungsfähig und integrativ wirken kann, hat Grütters nicht nur mit Gründung der Task Force beim Schwabinger Kunstfund gezeigt. Trotz massiver Kritik von Sammlern, Galeristen und Künstlern novellierte sie Ende Juli das Kulturgutschutzgesetz, um zu erreichen, was ihr als Konservativer wichtig ist: deutsches Kulturgut vor dem Verkauf zu retten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal