nd-aktuell.de / 19.10.2016 / Politik

»Reichsbürger« schießt bei Razzia in Bayern auf Polizisten

Rechtsradikaler verletzt vier Beamte schwer / 49-Jähriger sollte Waffen abgeben / LINKE: Gefahr der Bewegung klar unterschätzt

Nürnberg. Bei einer Razzia in Georgensgmünd in Bayern hat ein Anhänger der rechtsradiklalen »Reichsbürger« auf mehrere Polizisten geschossen. Dabei seien vier der Beamten zum Teil schwer verletzt worden, teilte das Polizeipräsidium Mittelfranken am Mittwoch in Nürnberg mit. Der 49 Jahre alte selbst ernannte »Reichsbürger« wurde demnach leicht verletzt und festgenommen.

Wie das bayerische Innenministerium mitteilte, sollten am Mittwoch die Waffen des 49-Jährigen sichergestellt werden, die der Mann zwar legal besaß. »Er galt jedoch als nicht mehr zuverlässig für den Besitz der Waffen«, erläuterte der Polizeisprecher. Daher wollte das Landratsamt Roth die Waffen einziehen. Spezialkräfte der Polizei hätten den Einsatz begleitet. Der Mann habe aber sofort das Feuer auf die Beamten eröffnet. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reiste nach Roth, er wollte im Laufe des Vormittages über die Ermittlungen informieren. »Ich bin entsetzt über den Fall«, sagte Herrmann. Es sei eine »bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation«.

Die LINKEN-Politikerin Ulla Jelpke warf den Behörden vor, die von der Gruppe ausgehende Gefahr unterschätzt zu haben. »Die Vorfälle von Georgensmünd zeigen erneut deutlich die Gefährlichkeit von Rechtsextremisten und Neofaschisten in Deutschland«, sagte Jelpke am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.

»Damit dürfte die viel zu lange von Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung gepflegte Mär, wonach es sich bei den sogenannten Reichsbürger vor allem um Querulanten und Spinner handelt, widerlegt sein«, fügte die Innenexpertin hinzu. »Hinter der wirren Reichsbürgerideologie verbergen sich oftmals knallharte Rechtsextremisten, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.«

Die Grünen-Innenexpertin Mihalic rief die Sicherheitsbehörden zum Handeln auf. »Die Schüsse auf die Polizei durch Reichsbürger zeigen erneut, dass die Reichsbürger nicht nur eine spinnerte Ideologie vertreten, sondern eine reale Gefahr für die innere Sicherheit darstellen«, sagte Mihalic AFP.

»Es kann nicht sein, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Reichsbürger immer noch nicht auf den Schirm nimmt«, fügte sie hinzu. »Reichsbürger stellen unseren Staat und die Verfassung grundsätzlich infrage und versuchen in Teilen diese Sicht mit Waffengewalt durchzusetzen.« Was brauche es noch, um diese Bewegung genauer zu untersuchen?

Auch die SPD warf der Staatsregierung »große Defizite bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials in diesen Gruppierungen und Szenen« vor. Sie verfüge zum Beispiel über kein Lagebild der illegalen Bewaffnung im Freistaat, sagte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, Florian Ritter, am Mittwoch. »Sie kann dieses Lagebild weder im Allgemeinen noch in Bezug auf bestimmte radikale Szenen, wie die Reichsbürgerbewegung liefern.«

Die »Reichsbürger« erkennen die Bundesrepublik nicht an und gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Bereits Ende August hatte ein »Reichsbürger« bei einer Zwangsräumung in Sachsen-Anhalt um sich geschossen und zwei Polizisten verletzt. Agenturen/nd