nd-aktuell.de / 05.11.2016 / Kommentare / Seite 3

Ein Wahlkampf als Spiegel der Krise in den USA

Peter Wahl wünscht weder Donald Trump noch Hillary Clinton den Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl. Egal wer gewinnt, die Linke muss sich warm anziehen

Peter Wahl

Was bin ich froh, dass ich am Dienstag nicht an der Präsidentschaftswahl in den USA teilnehmen muss! Zur Wahl stehen mit dem Republikaner Donald Trump ein Mann mit dem Format eines durchgeknallten Pitbulls sowie die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, mit der Vertrauenswürdigkeit eines hungrigen Alligators.

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar. Der Pussy-Grapscher will eine brutale Bekämpfung der Migration, bezweifelt den Klimawandel und fragt, warum man Atombomben nicht benutzen soll, wenn man die Dinger schon mal hat. All das ist für jeden ordentlichen Linken jenseits von Gut und Böse. Daran ändert auch seine angebliche Russlandfreundlichkeit nichts. Da ist viel optische Täuschung dabei. Wenn Clintons Spin-Doktoren inzwischen jeden Verkehrsstau am Times Square dem Fürsten der Finsternis im Kreml in die Schuhe schieben, erscheint im Vergleich dazu jeder, der nicht auf die Verschwörungstheorien hereinfällt, als Handlanger Wladimir Putins.

Tatsächlich will Trump »America« wieder »great« machen. Aber die USA sind eine imperialistische Supermacht, deren globale Führungsrolle weiter erodieren wird. Die Transformation des internationalen Systems in eine multipolare Ordnung ist unaufhaltsam. Es würde also schwierig mit Trumps Renaissance der amerikanischen Großartigkeit. Und was passiert, wenn er das merkt, das sollte man lieber nicht testen. Der Mann ist unberechenbar.

Dafür ist Clinton umso berechenbarer. Ihre lange Karriere in der Washingtoner Nomenklatura weist ein klares Profil auf. Sie war immer Verfechterin der Interessen des Kasinokapitalismus, des Militärisch-Industriellen Komplexes und von Google, Microsoft, Apple, Facebook und Co. Es ist kein Zufall, dass sie sich weigerte, ihre Reden vor Bankern zu veröffentlichen. Laut CNN hat sie zwischen 2013 und 2015 mindestens acht einschlägige Vorträge gehalten. Honorar: 1,8 Millionen Dollar. Dank Wikileaks wissen wir, dass sie dabei um Verständnis warb, in der Öffentlichkeit ab und zu so tun zu müssen, als ob eine politische Regulierung der Finanzmärkte notwendig sei.

Außenpolitisch hat sie sich immer wieder als Scharfmacherin profiliert. Sie war 2003 für George W. Bushs Überfall auf Irak. Als Außenministerin war sie die treibende Kraft hinter dem »Regime change« in Libyen, der das Land in einen »Failed state« verwandelte. In ihren Memoiren preist sie die völkerrechtswidrigen Einsätze von Killerdrohnen in Pakistan, Jemen und Somalia mit ihren Hunderten von Ziviltoten als »höchst effizient«. Und in Syrien goss sie schon kurz nach der ersten Demo gegen das Assad-Regime Öl ins Feuer, als sie die Parole ausgab, Assad müsse weg. Dies war das Signal für die Internationalisierung des Konflikts. Für Syrien hat sie angekündigt, als erstes eine Flugverbotszone einrichten zu wollen. Zwar würde sie weder wegen Assad noch wegen der Ukraine einen Atomkrieg riskieren. Aber eine Präsidentin Clinton bedeutet Intervention, Eskalation, Konfrontation.

Natürlich spiegelte dieser Wahlkampf die Krisen wider, in denen die USA stecken. Die Krise der Demokratie und insbesondere die des Zweiparteiensystems, das die Linke immer wieder zu perversem Wahlverhalten erpresst. Er offenbart vor aller Welt die Verkommenheit der Funktionseliten und die Krise des neoliberalen Kapitalismus. Der produziert seit zwei Jahrzehnten gnadenlos Millionen von Verlierern, die als White Trash - der Begriff sagt schon alles - abgehängt werden und dann aus Rache einen Milliardär wählen. Der Wahlkampf verdeutlichte zudem, in welcher Krise die USA als globale Führungsmacht stecken.

Die Wahlen ändern an all dem nichts. Unumgänglich bleibt der Kampf um emanzipatorische Alternativen. Deshalb hat Angela Davis vielleicht recht, wenn sie sagt, die Linke solle ihre Gewissensqualen nicht so schwer nehmen. Jetzt sei nur von Bedeutung, Trump zu stoppen. Aber wie immer die Wahl am Dienstag ausgeht, wir müssen uns warm anziehen.