nd-aktuell.de / 05.11.2016 / Sport / Seite 11

Russland macht einen ersten Schritt

Ein neues Gesetz macht Doping zum Straftatbestand, Staatsdoping indes wird weiterhin bestritten

Denis Trubetskoy, Kiew

Es ist ein Schritt, der die Ernsthaftigkeit des russischen Kampfes gegen Doping bekräftigen soll. Bereits im Sommer hat die Staatsduma, das Unterhaus des russischen Parlaments, in erster Lesung für das neue Anti-Doping-Gesetz abgestimmt, das strafrechtliche Verfolgung des Dopings vorschreibt. Am Donnerstag wurde das Gesetz nun sowohl in der zweiten als auch in der dritten Lesung einstimmig verabschiedet - allerdings in einer »gemilderten« Version. »Das ist die Antwort an unsere ausländischen Kritiker, die unserem Land Staatsdoping vorwerfen«, sagte Alexander Schukow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Russlands. »Selbstverständlich hat ein solches System nie existiert.«

Das neue Gesetz sieht vor allem für Trainer und andere Hintermänner, die Sportler zur Verwendung der verbotenen Mittel neigen, Strafmaßnahmen vor. So drohen einem Trainer, auf dessen Anweisung hin Sportler Dopingmittel eingenommen haben, eine Geldstrafe von bis zu 300 000 Rubel (umgerechnet 4000 Euro), ein Berufsverbot von bis zu drei Jahren oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Noch größer sind die angedrohten Konsequenzen für Ärzte, die in Doping involviert sind. Möglich ist eine Strafe von bis zu einer Million Rubel (14 000 Euro), ein Berufsverbot für bis zu vier Jahren oder ein Jahr Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafe kann auf drei Jahre verlängert werden, wenn die Verwendung des Dopings zum Tod oder zu schweren Verletzungen des Sportlers führt.

Die Originalfassung des Gesetzentwurfes, der von der Regierungspartei »Einiges Russland« und der populistischen LDPR vorbereitet wurde, schrieb zwar noch schärfere Strafmaßnahmen für Hintermänner vor, das Sportministerium lehnte dies jedoch ab. »Es ist aber immer noch ein scharfes Gesetz«, betont Schukow, der auch stellvertretender Vorsitzender der Staatsduma ist. Während der 60-Jährige die Existenz des Staatsdopings in Russland strikt bestreitet, gibt Schukow zu: »Tatsächlich hat die Anzahl der Dopingfälle zuletzt deutlich zugenommen, vor allem in der Leichtathletik und im Gewichtheben. Der russische Sport soll diese schreckliche Krankheit endlich besiegen.«

Die Verabschiedung des Antidoping-Gesetzes hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Sowohl in der Staatsduma als auch in der russischen Regierung wird das Gesetz als »beispiellos« gefeiert. »Ab jetzt können unsere Strafverfolgungsbehörden die Menschen finden, die Sportler zur Verwendung des Dopings ermutigen. Wir sind nun eines der nur wenigen Ländern, die ein solches Gesetz haben«, kommentierte der umstrittene Witalij Mutko, der vor einigen Wochen Vizepremier der russischen Regierung erhoben wurde. Der 57-Jährige, dessen Name im Aufklärungsbericht von Richard McLaren mehrmals auftaucht, ist damit immer noch für den Sport zuständig, jedoch ist nun Pawel Kolobkow Sportminister.

Auch in der russischen Antidopingagentur RUSADA wurde die Entscheidung des Parlaments begrüßt. »Das ist eine effektive Maßnahme. Nicht viele Länder sehen Strafverfolgung für die Dopingeinnahme vor«, sagte Anna Anzeliowitsch, die die von der WADA gesperrte RUSADA vorübergehend anführt, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS.

Doch auch die Skepsis ist groß. Zu den Kritikern zählt unter anderem der bekannte Ex-Fußballtrainer Walerij Gasajew: »Ein solches Gesetz ist sicher an der Zeit, unschuldige Trainer können aber so in Gefahr gelangen. Denn der Trainer kann nicht immer wissen, was sein Schützling nimmt oder macht.« Nun muss die Regierung eine Liste der verbotenen Mittel erarbeiten, dann kann das Gesetz auch tatsächlich angewendet werden. Dies sollte bereits in den kommenden Wochen folgen.

Meint es Russland also wirklich ernst mit dem Kampf gegen Doping? Zwar ist es schwer, von Fortschritt zu sprechen, während Russland Staatsdoping weiterhin bestreitet und Witalij Mutko an der Macht bleibt. Immerhin gibt es Anzeichen, dass dem Antidoping-Gesetz weitere folgen: »Ich werde einen Gesetzentwurf über die Fälschungen der Laborforschungen und der Dopingproben vorbereiten«, sagt Dmitrij Swischtschew, Parlamentsabgeordneter, der auch Mitglied im Sportausschuss ist. »Der Text ist bereits geschrieben - und das werden ebenfalls strafrechtliche Maßnahmen sein.«