Helgoland, der Kamin und die Gemütlichkeit

Hochseeinsel erlebte sehr spezielle Feinstaubdebatte

  • Dieter Hanisch, Helgoland
  • Lesedauer: 2 Min.

Helgoland ist eigentlich eine Oase der Ruhe, doch in den letzten Tagen herrschte helle Aufregung: Ein Bürgerentscheid bescherte der regierungstechnisch zum schleswig-holsteinischen Kreis Pinneberg zählenden Hochseeinsel eine Feinstaubdebatte der besonderen Art. Bei der entsprechenden Abstimmung am Sonntag sprachen sich die Teilnehmer mehrheitlich für die Erlaubnis zur Weiternutzung offener Kamine aus. Sie stellen sich damit gegen einen anders lautenden Beschluss der Gemeindevertretung von 2014.

Das Nordsee-Eiland mit Unterland und Oberland steht für Wellness und sauberes Klima. Die dortige Tourismuszentrale wirbt stolz damit, dass Helgoland Deutschlands jod- und sauerstoffreichste Gemeinde sei. Bis auf wenige E-Mobile fahren auf der Insel, die sich auch offiziell Nordseeheilbad nennen darf, keine Autos. Das ehrgeizige Ziel der Helgoländer Kommunalpolitiker lautet, die Insel bis 2020 CO2-neutral zu machen. Dafür werden im Energiebereich alle Register gezogen, dazu passt das Herauspusten von Ruß durch private Kamine und Öfen natürlich nicht. Vor zwei Jahren wurde daher ein Nutzungsstopp beschlossen, zunächst befristet bis zum 1. Juli dieses Jahres.

Rund 80 Kaminbesitzer auf der Insel wollten sich jedoch nicht damit abfinden. Sie fühlten sich zu Unrecht in ihrer freien Lebensentfaltung eingeschränkt und sammelten ausreichend Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Weil die Gemeinde nicht von ihrem Verbotsbeschluss abrücken wollte, kam es schließlich zum Bürgerentscheid pro oder kontra Kamine. Bei einer Wahlbeteiligung von 51,32 Prozent (678 Stimmen) votierten am Sonntag 54,25 Prozent pro Kamin, 45,75 sprachen sich dagegen aus.

Vielleicht hat auch die Aussage des Insel-Schornsteinfegers Björn Dannenmann vor dem Urnengang den Ausgang des Entscheids beeinflusst. Er hatte erklärt, dass die Schadstoffbelastung aus Kamin-Schloten für die Klimabilanz der Insel nahezu nicht ins Gewicht falle und zu vernachlässigen sei. Alle Kaminbesitzer hatten ohnehin immer wieder betont, dass sie für ihre primäre Wärmeversorgung am Fernwärmenetz angeschlossen seien.

Der parteilose Bürgermeister Jörg Singer kommentierte den Ausgang der Abstimmung mit den Worten: »Helgoland entscheidet sich für Gemütlichkeit.« Nach diesem Votum bleibt abzuwarten, ob weitere Insulaner sich nun entschließen, einen Kamin oder Kachelofen anzuschaffen. Oder ob Kaminfreunde sich dazu bekehren lassen, einen elektrisch illuminierten Kamin anzuschaffen.

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