nd-aktuell.de / 10.11.2016 / Politik

Drohnenkrieg

Smarte Worte 17: Die Bezeichnung Drohnenkrieg wurde zu einem populären Schlagwort und fasst eine Reihe von politischen und militärischen Entwicklungen zusammen.

Drohnen sind unbemannte und ferngesteuerte Luftfahrzeuge, seltener sind auch Wasser- und Landfahrzeuge gemeint. In den letzten drei Jahrzehnten hat der militärische Gebrauch von Drohnen zugenommen, zunächst zur Aufklärung und Überwachung, seit den Anschlägen vom 11. September 2001 werden Drohnen auch für Luftschläge gegen Terrorverdächtige eingesetzt.

Spätestens seit dem Ersten Weltkrieg werden Drohnen militärisch genutzt, aber erst ab den 1990er Jahren verlor die Drohnentechnologie ihr Nischendasein, als der technische Fortschritt zunehmend sowohl Steuerung als auch Datennutzung in nahezu Echtzeit ermöglichte. Der »globale Krieg gegen den Terrorismus« nach 9/11 brachte den politischen Impuls für den Einsatz einer Reihe von automatisierten und ferngesteuerten Technologien. Das Scheitern der Weltmächte in den asymmetrischen Konflikten in Vietnam in den 1970er und in Afghanistan in den 1980er Jahren hatte für die Bereitstellung von erheblichen Budgets für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich gesorgt. Neben vielen taktischen Vorteilen bei den Drohneneinsätzen ist insbesondere der fehlende menschliche Faktor das Erfolgskriterium: Hier besteht kein Risiko für die eigenen Soldaten, was eine der zentralen Taktiken insbesondere von dschihadistischen Aufständischen konterkariert.

Die Bezeichnung Drohnenkrieg wurde in den letzten fünf Jahren zu einem populären Schlagwort und fasst eine Reihe von politischen und militärischen Entwicklungen zusammen. Bekannt wurden insbesondere Einsätze US-amerikanischer ferngesteuerter Kampfdrohnen der Typen Predator und Reaper, welche vor allem mit Hellfire-Raketen (Luft-Boden-Raketen) Bodenziele beschießen. Diese Einsätze (insbesondere in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia) dienen der gezielten Tötung von vermuteten Mitgliedern terroristischer Gruppen. Doch diese Form der »Jagd auf TerroristInnen« ist alles andere als präzise und sauber, denn immer wieder sterben Unbeteiligte beziehungsweise ZivilistInnen, zum Beispiel durch den Beschuss von Wohngebäuden, PKWs oder anderen zivilen Zielen.

Die »Signature Strikes« sind eine Art Rasterfahndung mit Drohnen und Vor-Ort-Exekution, zum Beispiel in den Stammesgebieten in Nordwest-Pakistan. Die Identität der Zielpersonen muss dabei nicht einmal bekannt sein: Es reichen bereits sehr allgemeine Verhaltensmuster und Gruppenmerkmale (»all military-age males in a strike zone«) als Verdachtsgrund.

Zur Zielbestimmung für Drohnenschläge werden auch anlasslos gesammelte Metadaten aus den globalen Überwachungsprogrammen der Geheimdienste genutzt. Diese ermöglichen eine nahezu beliebige Identifikation, Lokalisierung und Liquidierung ausgewählter Personen. Die Frage nach dem Sinn weltweiter Massenüberwachung ist mit Blick auf solche Tötungsprogramme neu gestellt.

Die rechtlichen und politischen Probleme dieser Form der verdeckten Kriegsführung sind schwerwiegend und vielfältig, schließlich handelt es sich um eine Form außergerichtlicher, staatlicher Hinrichtung auf Verdachtsgrundlage. Gefahren liegen in der rasanten Eskalationsdynamik, welche die Drohnenkriege mit sich bringen: Die Welt steht am Beginn eines neuen Wettrüstens mit automatisierten Waffensystemen. Das Gesicht moderner Kriegsführung wandelt sich grundlegend, weitgehend autonom handelnde Killerroboter sind bereits in der Entwicklung.

Die weltweite »Antiterrorkriegführung« der letzten Jahre hat in mehrfacher Hinsicht eine Relativierung der Menschenrechte gebracht. Die extralegale Hinrichtung von Verdächtigen mithilfe von Drohnen untergräbt jegliche Unschuldsvermutung und Rechtsstaatlichkeit. Automatisierte Kriegsführung treibt die Erosion internationaler Normen und Institutionen weiter voran. Sobald Killerroboter selbstständig Tötungsentscheidungen treffen können, werden weitere zentrale Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt: Es gibt keine abrechenbare Verantwortlichkeit mehr. Der technologische und waffentechnische Fortschritt gebietet, sowohl für unbemannte und ferngesteuerte Systeme als auch für automatisierte Roboterwaffen neue Regulierungsrahmen auf internationaler Ebene zu schaffen. (nsc)

Zum Weiterlesen:

Jeremy Scahill and the Staff of The Intercept: The Assassination Complex. Inside the Government’s Secret Drone Warfare Program, New York 2016, unter: http://interc.pt/1Lvu1R3[1]

Schepers, Norbert: Drohnenkriege. Warum Big Data tödlich sein kann, in: LuXemburg 3/2014, S. 78–83, unter: www.zeitschrift-luxemburg.de/drohnenkriege/[2]

Woods, Chris: Sudden Justice. America’s Secret Drone Wars, Oxford 2015.

Links:

  1. http://interc.pt/1Lvu1R3
  2. http://www.zeitschrift-luxemburg.de/drohnenkriege/