nd-aktuell.de / 11.11.2016 / Politik / Seite 7

In Ost-Aleppo droht ein Massensterben

Lebensmittel in belagertem Stadtteil gehen zur Neige

Genf. Die Vereinten Nationen haben vor einem Massensterben im belagerten Ostteil der syrischen Stadt Aleppo gewarnt. Die letzten verfügbaren Lebensmittelrationen würden an die hungernde Bevölkerung verteilt, betonte der humanitäre Berater der UN für Syrien, Jan Egeland, am Donnerstag in Genf. Ab der nächsten Woche werde es keine Reserven mehr für die 250 000 Menschen in dem von Truppen des Präsidenten Baschar al-Assad abgeriegelten Ost-Aleppo geben.

Die letzten Hilfslieferungen seien Anfang Juli eingetroffen. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand sehen will, wie 250 000 Menschen in Ost-Aleppo verhungern«, betonte Egeland. Die Vereinten Nationen hätten den Kriegsparteien einen Vier-Punkte-Plan übermittelt, der so schnell wie möglich umgesetzt werden müsse. Er sieht den umgehenden Transport durch die UN von Lebensmitteln, medizinischen Gütern und Gesundheitspersonal nach Aleppo vor. Rund 300 Patienten sollen aus dem Gebiet evakuiert werden.

Das Regime des Machthabers Baschar al-Assad und seine Verbündeten wie Russland sowie die bewaffneten Oppositionellen hätten den Plan seit einigen Tagen vorliegen, erklärte Egeland. Bislang sei aber noch keine Zustimmung erfolgt. Ohne eindeutige Sicherheitsgarantien der Kriegsparteien könnten die Vereinten Nationen keine Hilfsoperationen beginnen. Ost-Aleppo wird von Rebellengruppen gegen das Assad-Regime gehalten.

In dem seit mehr als fünf Jahren dauernden Syrien-Konflikt kämpfen das Assad-Regime, Rebellengruppen und Terrormilizen um die Macht. Hunderttausende Menschen starben, Millionen Männer, Frauen und Kinder sind auf der Flucht.

Derweil haben die US-Streitkräfte die Zahl der zivilen Opfer ihrer Luftangriffe in Syrien und Irak beziffert: Seit Beginn des Einsatzes gegen die Dschihadistenmiliz IS im Jahr 2014 seien bei Luftangriffen 119 Zivilisten ums Leben gekommen, teilte das Zentralkommando der US-Streitkräfte am Mittwoch (Ortszeit) mit. Allein im vergangenen Jahr seien bei 24 Luftangriffen 64 Zivilisten getötet worden.

Diese Zahlen liegen allerdings deutlich unter den Schätzungen von internationalen Menschenrechtsorganisationen.

CENTCOM-Oberst John Thomas beteuerte, es werde alles getan, um die Zahl der »unbeabsichtigten zivilen Opfer« zu minimieren. Eine ausführliche interne Untersuchung habe ergeben, »dass bei jedem dieser Angriffe die Vorschriften befolgt wurden«, sagte Thomas. Es seien jedes Mal »beträchtliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, trotz des unglücklichen Ausgangs«.

Die internationale Allianz hatte im August 2014 mit Luftangriffen auf den IS in Syrien und Irak begonnen. Die US-amerikanische Luftwaffe führt 80 Prozent dieser Angriffe aus.

Die in London ansässige Nichtregierungsorganisation Airways schätzt, dass bei Luftangriffen der Allianz bereits mehr als 1700 Zivilisten getötet wurden.

Amnesty International geht von mindestens 300 getöteten Zivilisten aus. Agenturen/nd