Zuschuss für Hamburgs Sorgenkieze

Hansestadt will sozialen Brennpunkten helfen / Kritiker: Programm macht Streichungen nicht wett

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Senat der Hansestadt hat sein Herz für Problemstadtteile entdeckt - mit dem Programm »Lebenswerte Stadt« sollen soziale Brennpunkte unterstützt werden.
Hamburg gilt im Bundesdurchschnitt als reiche Stadt. Mit 9,2 Millionären pro 10 000 Einwohner liegt die Hansestadt an der Spitze. Aber der Reichtum in Hamburg war und ist schon immer ungerecht verteilt. Neben einer kleinen Anzahl Superreicher lebt fast jedes fünfte Kind unterhalb der Armutsgrenze. Experten bezeichnen Hamburg deshalb auch als Stadt »mit der größten Polarisierung«. Die sozialen Unterschiede liegen auch in den Stadtteilen. Neben mondänen Villengebieten, gibt es die Hochhausschluchten von Steilshoop und Mümmelmannsberg. Dass es Problemkieze gibt, gesteht auch der Senat zu. Es handele sich bei 13 Stadtteilen um »besondere soziale Problemlagen«. Insgesamt leben über 300 000 Menschen in diesen Stadtteilen. Doch getan wurde bislang wenig. »Der Senat investiert einseitig in die erste Stadt, also die reichen und wirtschaftlich gut funktionierenden Stadtteile«, kritisiert Claudius Lieven von der GAL immer wieder die Politik des Senats. Mitte Dezember hat nun Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sein Programm für die »Lebenswerte Stadt« präsentiert. Parallel dazu läuft das Programm »Metropole Hamburg - Wachsende Stadt« weiter, doch dieses bezieht sich in erster Linie auf Prestigeobjekte wie die Flaniermeile Jungfernstieg oder die Elbphilharmonie. Das neue Programm, mit 100 Millionen Euro ausgestattet, soll zunächst sechs Problemstadtteilen zugute kommen: Wilhelmsburg, Altona-Altstadt, Billstedt, Barmbek-Süd, Lohbrügge-Ost und Steilshoop. Den Impuls für das Sonderprogramm gaben nach Beusts Worten die Unruhen in Frankreich. Für die Opposition, aber auch die Kirchen, reicht der Vorstoß jedoch vorne und hinten nicht. Laut Bischöfin Maria Jepsen hat der Senat zu lange auf die »wachsende Stadt« gesetzt, aber die Menschen lebten eben nicht von »Symbolen allein«. Und auch in den Stadtteilen selbst herrscht nicht nur Jubelstimmung über den finanziellen Regen. So freut sich Fred Finzel von der Initiative »wir-Steilshooper« zwar über jeden Euro, betont aber gleichzeitig, dass »das Programm die Kürzungen allein in Steilshoop in den vergangenen fünf Jahren nicht wett macht«. Mit den 20 Millionen für Steilshoop wird wahrscheinlich eine große Tangente zwischen den Hochhäusern verschönert, eine weiterführende Schule hat der Stadtteil dann immer noch nicht wieder. »Stellen sie sich vor, keine weiterführende Schule für 19 000 Bewohner und das nur, weil die CDU die Gesamtschulen einstampft«, bringt Finzel die Schieflage der Politik auf den Punkt. Erich Fülling von der Initiative »lebendiges altona« teilt diese Einschätzung für den Stadtteil Altona-Altstadt. »Das Programm "Lebenswerte Stadt" gleicht den Abbau der letzten Jahre bei Weitem nicht aus«, so Fülling. Es gebe auch kaum eine erkennbare Koordinierung des Programms. Es fehlt durch die Sparpolitik der letzten Jahre auch in Altona an Bildungskonzepten und Angeboten für Kinder. Das Schwimmbad wurde auch noch geschlossen - durch das Programm lässt sich dieser Abbau nicht ausgleichen. Von Beust lässt die Kritik scheinbar an sich abprallen. Für ihn hat der Wahlkampf 2008 schon begonnen und den gewinnt, nach der Sparwut der letzten Jahre, wahrscheinlich der nach außen hin sozialste Kandidat.
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