nd-aktuell.de / 23.11.2016 / Kultur / Seite 14

Elan, Geist und Witz

Die Opernsängerin Roswitha Trexler wird 80

Stefan Amzoll

Sie hätte ein »richtig schönes Elternhaus« gehabt, sagt die in Leipzig geborene Roswitha Trexler. Hausmusik, Geigenunterricht, Eltern musikalisch gebildet. Mit 13 singt sie im Chor und singt bei großen Oratorienaufführungen mit. Leipzig, die Bachstadt und zugleich wichtiges Zentrum der Gegenwartsmusik mit den von Herbert Kegel geleiteten Konzerten des Rundfunksinfonieorchesters und -chores, verschafft ihrem Talent weitere Möglichkeiten. Kegel, der seit den 1960er Jahren aufführt, was international Rang hat: Schönberg, Bartok, Hindemith, Dallapiccola, Nono, Henze, Halffter, Lutoslawski, Penderecki - , ist der eigentliche Spiritus rector von Trexlers Sängerinnenlaufbahn. Er legt in seiner kompromisslosen Art, Musiker und Chöre zu Spitzenleistungen zu führen, Roswitha Trexler das nötige sängerische Handwerk gleichsam in den Mund.

Ihr zur Seite seit 1968 als weiterer Partner und unverzichtbarer Förderer: der Musikwissenschaftler Fritz Hennenberg, bis in die 1980er Jahre hinein Musikproduzent am Sender Leipzig, und schon bald ihr Ehemann. Über ihn lernt sie so renommierte Komponisten wie Luigi Nono, Ernst Krenek, Hans Werner Henze, Witold Lutoslawski oder Christobal Halffter kennen und kann mit ihnen arbeiten. Glänzend ihre Partien in Henzes »Voices«. Daneben schöpft sie aus dem Lied-Erbe des Hanns Eisler und lernt daran ungeheuer viel. Zahllose Einspielungen für Platte und Rundfunk dokumentieren den neuen, eigenen Ton, den Roswitha Trexler einbringt. Lustig anzuhören »Die haltbare Graugans« nach Brecht, hüpfend vor Elan, Geist und Witz. Paul Dessau erlebt sie noch leibhaftig. Klar und einfach die »Tierverse«, die Dessau ihr seinerzeit auf die Zunge diktierte.

Einfaches wechselt mit Schwierigem. Ein Zusammentreffen mit den Neutönern der DDR drängt sich förmlich auf. Produktiv die 1970er Jahre. Erste Arbeiten kommen mit Friedrich Schenker zustande. Roswitha singt den Frauenpart in dessen Kammerspiel I nach Morgensterns »Galgenliedern« und »Palmström«, wenig später die »Versuche über Roswitha«, ein Stück mit Elektronik, exklusiv für sie gemacht. 1974 legt Schenker ihr die bös-heitere Satire »Leitfaden für angehende Speicherlecker« nach Wladimir Majakowski in den Mund. Das Stück ätzt hochartifiziell wider die Bürokratie. Am Piano Gerhard Erber. Auch Georg Katzer, Lothar Voigtländer, Hermann Keller, Ralf Hoyer und andere Komponisten komponieren Stücke für die Sängerin.

Rührend, dass sie angesichts solcher Herausforderungen die Alten nicht vergessen hat. Songs von Kurt Weill, Lieder aus Brechts »Hauspostille« und Sätze für Singstimme und Klavier von Stefan Wolpe kommen hochqualifiziert auf Platte. Zauberhafte Aufnahmen entstehen mit Liedern von Rudolf Wagner-Régeny und Kurt Schwaen. Selbstverständlich singt sie auch den berühmten »Pierrot lunaire« von Schönberg. Nicht zu vergessen die »Brettl-Lieder« desselben, die sie heiter-trunken wiedergibt, später Vokalkompositionen sowjetischer Komponisten wie Elena Firsowa, Alfred Schnittke, Edison Denissow und Dmitri Smirnow.

Die Zeit nach 1989 erlebt die Sängerin als doppelten Bruch. Das Ehepaar trennt sich und die Freiberuflerin Roswitha Trexler ist nun vogelfrei. Schock für sie: Ihr Repertoire ist über Nacht nicht mehr gefragt. Ihr letztes Konzert gibt sie 1992. »Es wollte keiner mehr einen DDR-Komponisten hören. Und im Westen hatten sie auch kein Interesse mehr, denn dieser Ost-West-Konflikt, der war ja nicht mehr. Also es war eine schlimme Zeit, das muss ich wirklich sagen.«

Ein Schatz sind ihre Aufnahmen. Die Zukunft wird mit ihnen freudig umzugehen wissen. Am heutigen Mittwoch wird Roswitha Trexler 80 Jahre alt.