»Museen sind nicht zu verkaufen«

Der Louvre soll »versilbert« werden: mit Museumsablegern in Atlanta und Abu Dhabi

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Am Anfang stand eine löbliche Idee - die Kunstschätze des Pariser Louvre, des größten Museums der Welt, mehr Menschen zugänglich zu machen. Vor allem an »kulturell unterentwickelte« Regionen des Landes hatte man gedacht und darum fand das Projekt viel Beifall, im nordfranzösischen Lens, wo die in den letzten Jahrzehnten stillgelegten Bergwerke und geschlossenen Textilfabriken die höchste Arbeitslosenrate des Landes hinterlassen haben, eine Filiale des Museums zu bauen. 2005 hat der Regionalrat Nord-Pas-de-Calais den Entwurf der japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa ausgewählt. Der 20 000 Quaddratmeter große Bau soll 2009 fertig sein und 120 Millionen Euro kosten. Ausgestellt werden dann dort jeweils für drei Jahre 600 bis 800 Kunstwerke aus dem Pariser Louvre, wobei der Großteil aus den bisher selten gezeigten Reserven des Museums kommen soll. Lens ist aber nicht das einzige Beispiel dafür, wie der Louvre Kunst in die französische Provinz bringt. Einige hundert Werke aus dem Bestand des Pariser Museums hängen oft schon seit Jahren als Leihgaben in den Kunstsammlungen großer Provinzstädte. Doch auf eine Leihgabe von ganz anderem Charakter hat sich Louvre-Direktor Henri Loyrette vor Monaten eingelassen: Gegen die Zahlung von zehn Millionen Dollar, die von Mäzenen in den USA aufgebracht werden, sollen 143 Kunstwerke für drei Jahre an das Museum von Atlanta ausgeliehen werden. Dabei handelt es sich aber nicht um zweitrangige Werke wie in Lens und anderen französischen Provinzstädten, sondern um Glanzstücke der Sammlungen. Anfangs hatten die Amerikaner an eine regelrechte Louvre-Filiale in der Coca-Cola-Stadt mit regelmäßig wechselnden Leihgaben gedacht, doch angesichts der ersten Proteste verwarf Direktor Loyrette diese Idee und es blieb bei einer auf drei Jahre begrenztes Aktion. Dabei ist die noch relativ harmlos im Vergleich zu dem Deal, den das Golf-Emirat Abu Dhabi jetzt vorgeschlagen hat. Um dort eine künstlich aufgeschüttete Insel, die für betuchte Touristen aus aller Welt bestimmt ist, kulturell zu aufzuwerten, soll Frankreich für 700 bis 900 Millionen Euro eine Louvre-Filiale schlüsselfertig errichten und ausstatten. Angesichts dieses Angebots des Emirats, das zu den wichtigsten Airbus-Kunden und Erdöllieferanten Frankreichs gehört, wurde Paris schwach. Präsident Jacques Chirac persönlich gab grünes Licht und Ende Januar soll eine hochrangige französische Delegation in Abu Dhabi die letzten offenen Punkte des Vertrags aushandeln, der zwar streng geheim ist, den sich aber die Zeitung »Le Monde« beschaffen konnte. Nach dem bekannt gewordenen Vertragsentwurf soll Frankreich einen Komplex schaffen, der - dem Louvre vergleichbar - sowohl Kunstsammlung als auch kulturhistorisches Museum ist. Während anfangs nur an Leihgaben des Louvre gedacht war, sollen jetzt auch das Pariser Orsay-Museum, das neue Museum am Quai Branly, das Centre Pompidou, das Schloss Versailles und auch einzelne Provinzmuseen ausgewählte Stücke beisteuern. Die Leihdauer soll gestaffelt zwischen drei Monaten und zwei Jahren liegen und es bleibt den angesprochenen Museen überlassen, ob sie die gewünschten Stücke hergeben wollen, aber wer will widerstehen, wenn Millionen winken. Für die bilateral besetzte Agentur, die den Bau und die Einrichtung des Museums leitet, das Konzept festlegt, das Personal einstellt und ausbildet und langfristig beim Aufbau einer museumseigenen Sammlung berät, zahlt Abu Dhabi 70 Millionen Euro. Das Emirat behält sich ein Veto gegen einzelne Ausstellungsstücke vor, etwa gegen weibliche Akte oder Kunstwerke mit »nichtislamischen« religiösen Symbolen. Für die Leihgaben werden über zehn Jahre verteilt 350 Millionen Euro fällig. Die Lizenzgebühr für die Überlassung des Markennamens Louvre für 20 Jahre steht noch nicht fest, doch soll sie zwischen 200 und 400 Millionen Euro liegen. Bis dahin soll das Museum am Golf einen eigenen, international zugkräftigen Namen finden. Um später einmal auf die Leihgaben aus Frankreich verzichten zu können, will das Emirat pro Jahr für 40 Millionen Euro Kunstwerke für sein Museum auf dem internationalen Kunstmarkt einkaufen. Das französische Finanzministerium, von dem ursprünglich die Idee zum Lizenzverkauf der international renommierten Marke Louvre stammte, hat gleich ein Drittel der Millionen aus Abu Dhabi für den Staatshaushalt beansprucht, doch eine interministerielle Abstimmungsrunde im Dezember hat das verworfen. Nun sollen alle Einnahmen - ohne Steuerabzug - an den Louvre und die anderen beteiligten Museen fließen. Sie sollen auch nicht mit den staatlichen Zuschüssen verrechnet werden, die diese jährlich bekommen, während sie seit Jahren einen großen Teil ihres Budgets selbst erwirtschaften müssen. Das Geld vom Golf ist also eine willkommene zusätzliche Finanzspritze für Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten, für die Organisierung von Ausstellungen und den Ankauf neuer Werke. Doch auch dieses Entgegenkommen der Regierung konnte nicht verhindern, dass sich eine breite Front gegen das Geschäft mit Atlanta und Abu Dhabi formiert hat. Mehr als 2000 Persönlichkeiten des kulturellen Lebens Frankreichs, darunter ehemals leitende Mitarbeiter des Louvre und Direktoren von Provinzmuseen, haben bereits eine Petition »Die Museen sind nicht zu verkaufen« unterzeichnet. »Wir verachten weder das Geld noch das Mäzenatentum«, heißt es darin, »aber hier zeichnet sich eine unheilvolle Entwicklung ab, deren Dimensionen heute noch gar nicht abzusehen sind.« Es sei unmoralisch, Kunstwerke aus dem nationalen Kulturschatz für kommerzielle Zwecke zu missbrauchen oder beispielsweise für die Ankurbelung des Luxustourismus in den Golf-Emiraten. »Selbstverständlich sind wir für die Ausstrahlung unserer Kunst und Kultur. Wir widersetzen uns auch nicht dem zeitweilige Verleihen von Kunstwerken - aber kostenlos, im gegenseitigen Austausch und für Ausstellungen, die zur Verbreitung des Wissens über die Kunst- und Kulturgeschichte beitragen.«
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