nd-aktuell.de / 15.01.2007 / Politik

Sturmwarnung für Nordirland

Autonomiepläne könnten am Streit über Polizei scheitern

Anne Cadwallader, Belfast
Eigentlich soll Nordirland bis Ende März eine Regierung erhalten. Doch dieser Plan könnte am Streit über die nordirische Polizei scheitern.
Sinn Féin droht, den Fahrplan in Richtung nordirischer Autonomie auszusetzen. Die größte republikanische Partei der Provinz, einst politischer Arm der Untergrundorganisation IRA, diskutiert, ob der für Ende des Monats vorgesehene Parteitag wieder abgesagt werden soll. Doch nur dieser Parteitag könnte eine Änderung der offiziellen Haltung gegenüber der nordirischen Polizei beschließen. Genau das fordern aber die britische Regierung und die Loyalisten als Bedingung für eine Autonomie: Sinn Féin müsse die Polizei anerkennen. Anlass für das folgenschwere Zögern Sinn Féins ist ein Streit um Äußerungen des britischen Premierministers. Tony Blair hatte Anfang vergangener Woche erklärt, dass Loyalisten-Chef Ian Paisley bereit sei, seinerseits Sinn Féin entgegenzukommen. Paisley habe einer Verlagerung der Verantwortung für das Gerichtswesen von London nach Belfast im Mai 2008 zugestimmt, falls Sinn Féin die Polizei anerkenne, so der Regierungschef. Doch Paisley widersprach Blair. Der Premier habe seine Haltung falsch wiedergegeben, sagte der bald 80jährige Chef der Democratic Unionst Party (DUP). Er habe keinem festen Zeitplan zugestimmt. Genau das aber, eine öffentliche Festlegung Paisleys auf ein Datum, verlangt Sinn Féin im Gegenzug zur Anerkennung der Polizei, bestätigte ihr Chefunterhändler Martin McGuiness. Private Zusagen Paisleys an einen Premierminister, dessen Abgang von der politischen Bühne bereits feststehe, hätten keinen Wert, fügten Sinn-Féin-Vertreter hinzu. Die Partei steht unter dem Druck vieler Mitglieder, welche die Anerkennung der Polizei ohne Konzessionen der Gegenseite ablehnen. Sinn Féin lässt sich in ihrer harten Haltung auch nicht von einer Lobeshymne Blairs an die republikanische Partei umstimmen. Der Regierungschef hatte in einem Artikel in der »Irish Times« geschrieben, dass Sinn Féin »eines der beeindruckendsten Beispiele von Führungsstärke gegeben hat, die ich in meinem politischen Leben erlebt habe«. Der Schritt vom langjährigen Kampf auch gegen die nordirische Polizei hin zu einer Anerkennung dieser Sicherheitskräfte sei von »tiefer Bedeutung«, so Blair. Blairs Lob wurde von Sinn-Féin-Chef Gerry Adams vorsichtig begrüßt. Die DUP und andere loyalistische Kräfte dagegen lehnten es harsch ab. Der Artikel sei nur ein weiteres Stück Propaganda, sagte etwa Jim Nicholson, EU-Parlamentarier der Ulster Unionist Party. Die von Blair gelobte Sinn-Féin-Führung sei »schwach, egoistisch und feige«. Bleibt Sinn Féin bei ihrer harten Haltung in der Polizei-Frage, dann sind die für 7. März geplanten Wahlen zum Provinzparlament in Frage gestellt. Bis Ende März soll daraus eine Regierung aus den großen Parteien beider Lager hervorgehen. Kommt sie nicht zustande, wird Nordirland wieder direkt von London aus regiert.