7000 Nein gegen Müllofen

Geplantes Heizkraftwerk in Heringen stößt weiter auf Widerstand

  • Bernd Schröder
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Der geplante Bau eines Müllheizkraftwerks im osthessischen Heringen list weiter heftig umstritten. Im hessisch-thüringischen Kalirevier haben Gegner mehr als 7000 Einwendungen gestellt.

Als »Giftschleuder« gilt vielen Anwohnern aus Hessen und Thüringen das geplante Müllheizkraftwerk, das die E.on-Tochter, die Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG (BKB), für 110 Millionen Euro auf dem Gelände des Düngemittel-Spezialisten K+S Kali GmbH bauen will. Um Ängste zu zerstreuen, bekamen die Bewohner des hessisch-thüringischen Kalireviers kürzlich Post von BKB und K+S. Darin wird an die wirtschaftliche Bedeutung von K+S für die Region erinnert: 4000 Beschäftigte arbeiten in der Kaliproduktion an Werra und Ulster, durch das Heizkraftwerk sollen 50 Arbeitsplätze hinzukommen. BKB verspricht den Einbau eines Rauchgasreinigungsverfahrens, EU-weit als »beste verfügbare Technik« eingestuft, und keine »Dreckschleuder« zu bauen. Doch Befürchtungen der Kritiker kommen nicht von ungefähr: Vor 20 Jahren geriet BKB als Betreiberin des Kraftwerks Buschhaus als »größte Dreckschleuder der Nation« in die Schlagzeilen. Der Bau in Heringen soll »neue Chancen zur Stärkung der Region eröffnen, ohne die Lebensqualität im Werratal nachhaltig zu beeinträchtigen«, heißt es in der Postwurfsendung. Mit dem bei der Verbrennung erzeugten Dampf will BKB den Erdgasverbrauch beim K+S-Standort Wintershall halbieren. Pro Jahr sollen rund 270 000 Tonnen Abfall durch Kraft-Wärme-Kopplung mit dem Kraftwerk Wintershall möglichst effizient Energie erzeugen. Die Anwohner sind sich der wirtschaftlichen Bedeutung von K+S durchaus bewusst; viele von ihnen würden trotzdem das Vorhaben nicht als »Teil einer nachhaltigen Perspektive für die Menschen« in ihrer Region akzeptieren, wenn die Bauplanung so umgesetzt wird, wie sie in den Anträgen vorgesehen ist. Mitte September 2006 fand eine sechstägige Anhörung statt. Die Bürgerinitiative »Für ein lebenswertes Werratal« mit über 200 Mitgliedern hatte zuvor mit Info-Veranstaltungen, Unterschriftensammlungen sowie Demonstrationen in Hessen und in Thüringen für Bewegung gesorgt. Mittlerweile liegen gut 7000 Einwendungen vor, vor allem aus thüringischen Gemeinden, da sie dank des vorherrschenden Südwestwinds befürchten, mit einem Großteil der Schadstofffracht bedacht zu werden. Für Klaus Reinhard, Vorsitzender der Bürgerinitiative, ist das Werk nicht genehmigungsfähig. Die Vorbelastungen der Umwelt durch 100 Jahre Bergbau in der Region seien nur lückenhaft berücksichtigt worden. Der Toxikologe Hermann Kruse betont, dass in der technischen Anleitung zur Luftreinhaltung nicht nur festgelegte Schwellenwerte einiger Schadstoffe durch erwartete Zusatzbelastungen deutlich überschritten würden, sondern auch toxikologisch fundierte Vorsorgewerte. Die Bürgerinitiative forderte Nachbesserungen im geplanten Filtersystem. Viele Anwohner meinen, gerade ein prosperierendes Unternehmen müsse alles tun, um seine Umweltbelastungen so gering wie möglich zu halten. Die Werksgegner verwahren sich ferner gegen Versuche, in eine bestimmte politische Ecke gedrängt oder gar als Ausgeburt des Ost-West-Konflikts angesehen zu werden. Die Bewohner des Werratals erfuhren erst kürzlich von einem weiteren geplanten K+S-Projekt, dem Bau einer Pipeline von Hessen bis unmittelbar an die thüringische Grenze, um trotz EU-Wasserrahmenrichtline zusätzlich Salzlauge in den bereits belasteten Fluss einzuleiten (ND berichtete). K+S macht keinen Hehl daraus, dass dies die billigste Variante der Entsorgung sei. Das scheint sich nun im Falle des Müllheizkraftwerks Heringen zu wiederholen - ebenfalls mit Rückendeckung des Regierungspräsidiums Kassel. In Hessen spricht man in diesem Zusammenhang von einer neuen Balance zwischen Ökonomie und Ökologie, einem neuen Stil in der hessischen Umweltpolitik: die Kooperation von Landespolitik, Behörden und Unternehmen. Allerdings dürfe der Umweltschutz Unternehmen nicht bürokratisch ersticken und deren Wettbewerbsfähigkeit gefährden. In Heringen und Umgebung hoffen die Gegner unterdessen zumindest auf den Stopp des angestrebten vorzeiti...

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