Europas energetische Moorleichen

Anbau von Biotreibstoffen zerstört Südostasiens Regenwälder. Das treibt den CO2-Ausstoß hoch

  • Torsten Mertz
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Seit dem 1. Januar müssen Benzin und Diesel an deutschen Tankstellen einen wachsenden Anteil von Kraftstoffen auf pflanzlicher Basis enthalten. Während Biodiesel und Alkohol im Tank dazu beitragen, dass weniger Erdöl verbrannt wird, verursacht der Anbau der Energiepflanzen vermutlich ein Vielfaches der eingesparten Kohlenstoffemissionen: Die Zerstörung natürlicher Wälder und Moore macht aus Kohlenstoffspeichern riesige Treibhausgasquellen.

Das deutsche Biokraftstoffquotengesetz sowie die europäische Energie- und Klimastrategie sehen vor, die fossilen Energieträger zunehmend durch pflanzliche zu ersetzen. Mindestens zehn Prozent Biokraftstoffe will die EU-Kommission in den Autotanks erreichen. Doch die heimischen Agrarflächen können die benötigten nachwachsenden Rohstoffe nicht in diesem Umfang bereitstellen. Auf dem Weltmarkt kosten Pflanzenöle zudem weniger als das europäische Rapsöl. Neben den oft gravierenden Auswirkungen des »Abholzungsdiesels« auf die biologische Vielfalt und die kleinteilige Landwirtschaft der Erzeugerländer ist der Biosprit-Boom mit der derzeitigen Erzeugerstruktur auch für den Klimaschutz kontraproduktiv: Durch die Landnutzungsänderungen gelangt der Kohlenstoff, der zuvor in der Vegetation und den Böden gebunden war, als CO2 und Methan in die Atmosphäre. Besonders gravierend wirkt sich die Vernichtung der tropischen Torfwälder Südostasiens aus. Sie wachsen auf bis zu 18 Meter mächtigen Torfschichten, die sich über Jahrtausende zu umfangreichen Kohlenstoff-Speichern entwickelt haben. Torf entsteht, wenn in Mooren unter den nassen, sauerstoffarmen Bedingungen weniger Biomasse abgebaut als produziert wird. Obwohl Moore nur etwa drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind sie bedeutende Mitspieler im Stoffhaushalt der Erde: Sie speichern weltweit rund 550 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, schätzt Michael Succow, Ökologie-Professor an der Universität Greifswald. Das ist etwa ein Drittel des gesamten an Land angesammelten Kohlenstoffs. Werden die Moore entwässert, verwandeln sich die Kohlenstoffspeicher in Kohlenstoffquellen: Kommt der Torf mit Sauerstoff in Kontakt, erhöht sich die mikrobielle Zersetzung und der gebundene Kohlenstoff entweicht in die Atmosphäre. In zunehmendem Maße initiieren in Indonesien und Malaysia großflächige Entwässerungsmaßnahmen für Holzgewinnung, landwirtschaftliche Nutzung und Infrastrukturprojekte diesen Prozess. Noch weit mehr CO2 setzen Brände der trockengelegten Moore frei. 1997/1998 gingen die Bilder von dichten Rauchwolken über großen Teilen Südostasiens um die Welt. Florian Siegert vom Geo-Bio-Center der Universität München, der seit einigen Jahren die Waldbrände Südostasiens beobachtet, macht menschliche Eingriffe für die Zunahme und Ausweitung der Feuer seit Beginn der 1980er Jahre verantwortlich. Jeweils zwischen 1,5 und 2,2 Millionen Hektar der Moorwälder Indonesiens gingen nach seinen Berechnungen bei den Bränden der Jahre 2002 und 2005 in Flammen auf. Nach Schätzungen der Umweltorganisation Wetlands International gelangen auf diese Weise allein in Indonesien jährlich rund zwei Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre: 0,6 Milliarden Tonnen aus Abbauprozessen und 1,4 Milliarden Tonnen durch Feuer. Dies ist etwa die Hälfte dessen, was sämtliche EU-Staaten jedes Jahr emittieren. Neben Reis wächst auf den entwässerten und entwaldeten Mooren vor allem Palmöl für den Export. Der Moorexperte Succow schätzt, dass jeder dritte Liter des preiswerten Palmöls auf tief entwässerten Mooren angebaut wird. Bei Erträgen von drei bis fünf Tonnen Öl pro Hektar und Jahr setze die Torfzersetzung zugleich bis zu 100 Tonnen Treibhausgase frei. Während also eine Tonne Bioöl drei Tonnen CO2 aus Erdöl einspart, setzt die gleichzeitige Moorvernichtung sieben bis elf Tonnen CO2 frei. »Wetlands International« spricht sogar von bis zu 20 Tonnen CO2 pro Tonne Palmöl. Der wachsenden Erkenntnis über die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus folgend, plant die Bundesregierung derzeit, Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe zu entwickeln. Doch während zu klären ist, ob und wie eine verträgliche Erzeugung etabliert werden kann, fallen noch viele Millionen Hektar Moore und Regenwälder...

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