nd-aktuell.de / 10.12.2016 / Berlin / Seite 14

Weniger Geld gegen Salafisten

Einstellung des Deradikalisierungsprojekts MAXIME an Schulen angekündigt

Simon Brost

Thomas Mücke ist besorgt. »Wir sind an einem Punkt, an dem wir in Berlin dringend mehr Prävention von religiös begründetem Extremismus brauchen und nicht weniger«, ist er überzeugt. Mücke ist Geschäftsführer des Berliner Vereins »Violence Prevention Network« (VPN), also Gewaltpräventionsnetzwerk, und hat dort bisher darüber hinaus das Projekt MAXIME geleitet. Die Mitarbeiter von MAXIME arbeiten seit drei Jahren an Berliner Schulen zum Thema Salafismus. Das Ziel: Schüler der 9. und 10. Klasse gegenüber Rekrutierungsversuchen radikaler Islamisten zu sensibilisieren.

Damit könnte 2017 Schluss sein. Dann steht nur noch knapp die Hälfte der bisherigen Gelder zur Verfügung. Zu wenig, um die Arbeit wie gewohnt fortzusetzen, sagt VPN. Der Verein befürchtet, dass an Schulen damit künftig qualifizierte Ansprechpartner für den Umgang mit von Radikalisierung bedrohten Jugendlichen fehlen.

Die Arbeit gegen Islamismus war ein Vorzeigeprojekt des scheidenden Innensenators Frank Henkel. »Ein starkes Zeichen« nannte der CDU-Politiker das im März 2015 gestartete Berliner Deradikalisierungsprogramm für ausreisewillige oder aus Syrien zurückgekehrten Dschihadisten. Das »Violence Prevention Network« ist neben Polizei und Verfassungsschutz als zentraler Teil des Netzwerks vorgesehen. Bewusst habe man sich für die Zusammenarbeit mit einem zivilgesellschaftlichen Träger entschieden, so Henkel damals.

Das konkrete Projekt MAXIME sei in der Vergangenheit nicht gefördert worden, teilt ein Sprecher der Innenverwaltung auf nd-Anfrage mit. Man habe dem Verein VPN bereits vor etwa zwei Monaten mitgeteilt, dass das Budget des Landesprogrammes für 2017 bereits weitgehend ausgeschöpft sei. Seine Verwaltung habe die Senatsverwaltung für Bildung gebeten zu prüfen, ob die Möglichkeit für eine zusätzliche Finanzierung bestehe, so der Sprecher.

Seit der Gründung 2014 sei MAXIME mit 500 000 Euro im Jahr maßgeblich von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie finanziert worden, erläutert VPN-Sprecherin Cornelia Lotthammer. Ende des Jahres laufe die Förderung aus Lottomitteln nun planmäßig aus. Alle Bemühungen seit dem Frühjahr, die Übernahme des Projekts in eine Regelfinanzierung aus dem Landeshaushalt zu erreichen, seien bisher gescheitert.

Einzig die Innenverwaltung habe 235 000 Euro für das kommende Jahr in Aussicht gestellt, erzählt Lotthamer. Diese Summe reiche allerdings nur für eine teilweise Weiterführung der Arbeit unter neuen Namen. Dazu zählt MAXIMA, ein Projekt, das sich speziell an Mädchen und junge Frauen richten soll. Die schon jetzt stark nachgefragten Workshoptage an Schulen, die ihr Verein anbieten könne, würde von 200 auf etwa 90 jährlich sinken, rechnet Lotthamer vor. Eine »existenzielle Bedrohung« seien die ausbleibenden Mittel nicht, schränkt die Sprecherin ein, der Verein VPN sei inzwischen »breit genug aufgestellt«.

Tatsächlich verzeichnet die Internetseite von »Violence Prevention Network« bundesweit 17 verschiedene Projekte auf. Die Arbeit des Vereins ist dabei in der Fachwelt nicht unumstritten. Kritiker fühlten sich bei den zugrunde gelegten Deradikalisierungskonzepten mitunter an die überwunden geglaubte, sogenannte akzeptierende Jugendarbeit mit Rechtsextremen in den 1990er Jahren erinnert.

Hakan Taş, Innenexperte der LINKEN im Abgeordnetenhaus hält das für nicht vergleichbar. »Es geht darum, Jugendliche zu erreichen, bevor sie radikalisiert sind«, sagt Taş. Ob Jugendliche tatsächlich von Vereinen erreicht werden, die Informationen mit Polizei und Verfassungsschutz austauschten, stünde laut Taş auf einem anderen Blatt. »Wie kann man mit Jugendlichen, Moscheevereinen und Familienangehörigen zusammenarbeiten, damit man das Umfeld gewinnen kann«, diese Frage müsse zunächst geklärt werden. »Denn ohne das Umfeld wird eine Deradikalisierung nicht klappen«, sagt Taş.

Für Aufsehen sorgte seinerzeit ein Artikel des »Antifaschistischen Infoblatts« im Sommer 2015: Dem Blatt zufolge wurde ein ehemaliges Mitglied einer Berliner Rechtsrockband als pädagogischen Mitarbeiter bei VPN beschäftigt. Dessen Onkel ist mutmaßlich bis heute als Sänger bei »Deutsch. Stolz. Treue«, kurz D.S.T, aktiv. Zuletzt im Juli verhinderte die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern einen konspirativen Auftritt der Gruppe.