nd-aktuell.de / 20.12.2016 / Brandenburg / Seite 12

Gebt der Kirche, was der Kirche ist

Die AfD boykottierte den parlamentarischen Abend mit dem evangelischen Bischof Dröge

Wilfried Neiße

Niemand könne sich in Brandenburg seiner Staatszuschüsse so sicher sein wie die Kirchen, hatte weiland der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Heinz Vietze, geäußert. Das war, als der brandenburgische Landtag noch in dem »Kreml« genannten Gemäuer auf dem Potsdamer Brauhausberg residierte. Eine Tradition wurde aber beim Umzug in das Landtagsschloss auf dem Alten Markt mitgenommen: Der jährliche parlamentarische Abend, den die Kirchen gemeinsam mit den Landtagsabgeordneten verbringen.

In der vergangenen Woche war es wieder soweit, und ein Eklat sorgte im Vorfeld für Aufmerksamkeit. Denn die AfD-Fraktion boykottierte den Abend am Mittwoch im Landtagsschloss, weil der evangelische Landesbischof Markus Dröge zuvor geäußert hatte, aufgrund der Haltung der AfD gegenüber Ausländern hätten AfD-Mitglieder in der Kirche nichts verloren.

Bei seiner Ansprache im Landtag bekräftigte Dröge seine Auffassung, Christus habe niemanden ausschließen wollen (was freilich aus der Bibel nicht ohne weiteres hervorgeht). Menschen, die guten Willens sind, seien »verpflichtet zur Wachsamkeit an den Rändern«, sagte Dröge. Dass man einer Religionsgemeinschaft beitreten, sie wechseln und sie auch wieder verlassen könne, sei in Europa garantiert und Lebenswirklichkeit, gehöre zu den Werten, um deren Erhalt gerungen werden müsse. Dröge verwies auf Äußerungen von Geflüchteten, auf diesem Kontinent, vor allem in Deutschland werde die Menschenwürde geachtet.

Der parlamentarische Abend stand unter dem Bibelwort »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist«. Aber gebt den Kirchen auch ihren Teil, hätte man hinzufügen können. Zutiefst dankbar zeigten sich die Kirchenvertreter für den vor 20 Jahren mit dem Land Brandenburg abgeschlossenen Kirchenstaatsvertrag, der ihnen Millionensummen vom Staat als Zuwendungen garantierte. Dazu muss man allerdings wissen, dass die Kirchen jahrhundertelang von ihrem umfangreichen Grundbesitz gezehrt hatten. Nach der Wegnahme solcher Ländereien durch weltliche Herrscher verpflichtete sich der Staat, seinen Teil zur Versorgung der Pfarrer beizutragen. Selbst in der DDR sind solche Zahlungen weitergegangen.

Der in der vergangenen Woche ausgesprochene Dank für den Kirchenstaatsvertrag galt dem Altministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), unter dessen Ägide das Vertragswerk ausgearbeitet worden war und der am parlamentarischen Abend auch teilnahm. Bischof Dröge sprach von einem »Schutzbrief«, der allerdings die Frage des Religionsunterrichtes noch ausgeklammert habe. Was den Einlass der Kirche in die öffentlichen Schulen betrifft, können sie sich inzwischen aber auch nicht mehr beschweren. Hatte das Land Brandenburg ursprünglich vor, mit einem Fach »Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde« (LER) eine Trennung der Schüler in Christen und Heiden zu unterbinden, so ist das längst abgewehrt. Der Religionsunterricht ist Bestandteil der Schulplanung. Dröge erwähnte mit Genugtuung, dass dieser Tage eine aktuelle Vereinbarung mit Bildungsminister Günter Baaske (SPD) unterzeichnet worden sei, die noch höhere Zuschüsse für Religionslehrer festlegt. Und LER kann »abgewählt« werden, hat also mit einem regulären Schulfach nichts mehr zu tun.

Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) nannte die Religion »eine wichtige Ressource« für eine moderne Gesellschaft. »Wenn Religion verdrängt wird, kommt sie an irgendeinem Punkt unkultiviert wieder hervor«, mahnte der Bischof in die Runde, dessen Kirche vor 25 Jahren in der Region Berlin-Brandenburg immerhin doppelt so viele Mitglieder hatte wie heute. Die DDR als eine »der zwei Diktaturen«, welche hinter dem Land lägen, bekam so ihr Fett weg. In der DDR sei die Kirche »nicht neutral« gewesen, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der bei dieser Gelegenheit seine religiöse Prägung hervorhob. Er sprach davon, dass die Kirche heute wieder »direkt angegriffen« werde, und - mit Blick auf die nicht anwesende AfD - dass ihr die Meinungsfreiheit abgesprochen werde von Menschen, welche für sich die Meinungsfreiheit benutzen.