nd-aktuell.de / 21.12.2016 / Ratgeber / Seite 26

Waren die Kinderfreibeträge im Jahr 2014 zu niedrig berechnet?

Fragen & Antworten

Was ist der Kinderfreibetrag?

Mit dem Kinderfreibetrag soll den Eltern ein bestimmter Teil des Einkommens steuerfrei belassen werden, um das Existenzminimum ihrer Kinder abzusichern. Aktuell liegt dieser Kinderfreibetrag im Jahr bei 2304 Euro pro Elternteil. »Der Kinderfreibetrag wird im Rahmen der Einkommensteuererklärung berücksichtigt«, erklärt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Fällt die Steuerersparnis geringer aus als das erhaltene Kindergeld, wird der Kinderfreibetrag nicht berücksichtigt.

Worum ging es in der Verhandlung vor dem Finanzgericht Niedersachsen?

In regelmäßigen Abständen legt die Bundesregierung die neuen steuerlichen Freibeträge für Erwachsene und Kinder fest. Für 2014 sah der sogenannte Existenzminimumbericht vor, dass der sächliche Kinderfreibetrag um 72 Euro auf 4440 Euro pro Kind angehoben (2220 Euro pro Elternteil).

»Diese Ankündigung hat der Gesetzgeber jedoch nicht umgesetzt«, kritisiert das niedersächsische Finanzgericht. »Die Kinderfreibeträge sind vielmehr erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 angehoben worden.« Der Betrag blieb im Jahr 2014 bei 4368 Euro und damit unter den eigenen Vorgaben. Eine Mutter von zwei Kindern im Alter von damals 16 und 21 Jahren hat dagegen geklagt. Ihr seien im Jahr 2014 dadurch insgesamt 820 Euro an Steuervergünstigungen verloren gegangen.

Worum ging es in diesem Verfahren noch?

Das Gericht hat in der Verhandlung am 2. Dezember 2016 deutlich gemacht, dass diese Frage nur einen kleinen Aspekt der gesamten Klage darstellt. Für Richterin Georgia Gascard ging es um viel mehr: Aus Sicht des Gerichts ist die Art und Weise, wie die Bundesregierung die Kinderfreibeträge berechnet, verfassungswidrig.

Wie begründet das Gericht diese Meinung?

Das steuerliche Existenzminimum gilt einheitlich für alle Kinder, egal wie alt sie sind. Und es liegt zum Teil deutlich unter den Beträgen, die Eltern für ihre Kinder im Sozialhilfefall ausgezahlt bekämen. Die Sozialhilfe wird aber nach dem Alter der Kinder gestaffelt gezahlt. Diese Ungleichbehandlung ist aus Sicht des Finanzgerichts verfassungswidrig.

Wie geht es nun weiter?

Die Klage wird nun zur endgültigen Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. »Bis dort eine Entscheidung gefällt wird, können drei oder vier Jahre vergehen«, sagte Finanzgerichtssprecher Jörg Grune. Die Karlsruher Richter könnten die Klage sogar ablehnen, das gilt aber als unwahrscheinlich.

Sollte auch das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Klägerin entscheiden, gibt es zwei Möglichkeiten: Die wahrscheinlichste wäre, dass es der Bundesregierung eine Frist einräumt, innerhalb derer sie die verfassungswidrigen Punkte ändern muss. »Es könnte aber auch sein, dass das Gericht der Bundesregierung eine Nachzahlung der Steuerfreibeträge auferlegt«, sagt Klägerin Reina Becker.

Was hätte das Urteil von Niedersachsen für Folgen?

Sollten sich die Zweifel erhärten, dass die Kinderfreibeträge über Jahre hinweg falsch festgesetzt wurden, dann können unter bestimmten Voraussetzungen Eltern nicht nur in Niedersachsen, sondern auch auch anderswo mit einer Erstattung rechnen, so Dr. Rolf Sukowski, Leiter der Beratungsstelle Berlin der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V. (Sitz Gladbeck).

Was können Eltern jetzt tun?

Beim Thema Kinderfreibetrag 2014, der um 72 Euro zu wenig erhöht worden war, ist das Bundesfinanzministerium inzwischen aktiv geworden, so Dr. Rolf Sukowski. Hier müssen keine Einsprüche eingelegt werden. Bei den weiteren Punkten, wie also der Frage, ist der Kinderfreibetrag verfassungswidrig, müsse man noch abwarten, wie sich das Verfahren nach der Verhandlung vor dem Finanzgericht Niedersachsen entwickelt.

Kommt die Sache tatsächlich vor den Bundesfinanzhof, dann sollten Eltern unter bestimmten Voraussetzungen aktiv werden. Hier ist der Hinweis nötig: Mitglieder eines Lohnsteuerhilfevereins müssen nichts unternehmen. Die Lohnsteuerhilfe wird automatisch für sie aktiv und legt, falls nötig, den entsprechenden Einspruch ein. dpa/nd