nd-aktuell.de / 22.12.2016 / Politik / Seite 20

25 Minuten des Horrors

Dutzende Menschen sterben bei Explosionen auf einem Pyrotechnikmarkt in Mexiko

Denis Düttmann, Tultepec

Als die ersten Feuerwerkskörper explodieren, gibt es kein Entkommen mehr. Ein Böller entzündet den nächsten, Raketen zischen durch die Luft, heftige Detonationen erschüttern den Pyrotechnikmarkt von Tultepec. Eine riesige graue Wolke schraubt sich in den Himmeln, im Inneren zucken weiter Blitze. Als sich der Staub legt, sind Hunderte Buden und Verkaufsstände dem Erdboden gleich gemacht. »Die Leute sind losgerannt und plötzlich sind sie zwischen dem Rauch und den Funken der Raketen verschwunden«, erzählt ein Sicherheitsmann des Marktes der Zeitung »Reforma«. »Es waren 25 Minuten des Horrors.«

In dem Inferno kommen 31 Menschen um, Dutzende werden verletzt. »Mindestens 25 Menschen haben schwere Verletzungen davon getragen, einige sind an 90 Prozent ihrer Haut verbrannt«, sagt der Stabschef der Regierung des Bundesstaates México, José Manzur, am Dienstagabend (Ortszeit) im Radiosender Fórmula. Drei schwer verletzte Kinder werden in eine Spezialklinik nach Galveston im US-Bundesstaat Texas geflogen.

Rettungskräfte eilen zur Unglücksstelle. »Wir haben 29 Krankenwagen geschickt und Verletzte in Krankenhäuser gebracht«, sagt der Präsident des Roten Kreuzes, Fernando Suinaga. Spezialeinheiten der Polizei suchen mit Spürhunden nach Verschütteten. »Der Markt ist komplett zerstört«, sagt der Leiter des Nationalen Zivilschutzes, Luis Felipe Puente. Nach Stunden bringt die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Die Streitkräfte evakuieren umliegende Gebäude.

Tultepec ist das Zentrum von Mexikos Pyrotechnik-Industrie. Auf dem Markt San Pablito sollen 80 Prozent allen Feuerwerks in Mexiko verkauft werden. Aus dem ganzen Land kommen Leute in den Ort rund 40 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt, um sich mit Raketen, Böllern und Feuerwerk einzudecken.

In Mexiko wird traditionell viel geböllert. Ob Geburtstage, katholische Prozessionen oder Dorffeste - Raketen und Böller gehören einfach dazu. Besonders gut läuft das Geschäft zum Nationalfeiertag im September und im Dezember, wenn die Wallfahrt der Jungfrau von Guadalupe, Weihnachten und Silvester anstehen.

Von August bis Jahresende sollen in San Pablito nach Angaben der Marktverwaltung 100 Tonnen Feuerwerk verkauft werden. »300 Händler vertreiben legal ihre Produkte, mit der Genehmigung des Verteidigungsministeriums«, sagt Marktchef Germán Galicia Cortes. Kunden dürfen höchsten zehn Kilo Feuerwerk kaufen und werden über die Sicherheitsregeln informiert. San Pablito sei der sicherte Pyrotechnikmarkt in ganz Lateinamerika, sagte der Generaldirektor des mexikanischen Pyrotechnikinstituts, Juan Ignacio Rodarte Cordero, noch vor kurzem. »Es besteht ausreichend Abstand zwischen den Ständen, damit es im Falle von Funkenflug keine Kettenreaktion gibt.« Es seien Feuerlöscher, Wasser, Löschsand und Werkzeuge vorhanden, betont Galicia Cortes. Die Händler wüssten zudem, was im Falle eines Brandes zu tun sein. Dennoch ereigneten sich allein in diesem Jahr laut der Zeitung »Milenio« bereits vier Explosionen in der Ortschaft.

Auch in anderen Regionen Mexiko kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. 2013 starben bei der Explosion von Feuerwerksraketen während einer Prozession im Bundesstaat Tlaxcala 16 Menschen, 153 wurden verletzt. Silvester 2003 wurden bei einer Explosion auf einem Pyrotechnikmarkt im Bundesstaat Veracruz 28 Menschen getötet.

Auf dem Markt von Tultepec waren zur Unglückszeit nur wenige Kunden unterwegs, sagt Händler Armando Senecio. Hier werde nur handgemachtes, harmloses Feuerwerk verkauft. »Das Verteidigungsministerium erlaubt uns nicht, gefährliches Material zu verkaufen.« Bei einer Kettenreaktion wie am Dienstag können aber auch viele kleine Raketen und Böller zusammen eine gewaltige Explosion auslösen. Für die Opfer der Katastrophe endet der vorweihnachtliche Pyrotechnikeinkauf in einem Flammenmeer. dpa/nd