Hacken, nicht verstecken

Chaos Computer Club debattiert auf Jahreskongress über Gefahren für digitale und andere Freiheiten

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob Drohnen oder Virenprogramme, ob staatliche Eingriffe in persönliche Datenfreiheit oder Videoüberwachung - es gibt nichts, was mit Informationssicherheit zu tun hat und in den nächsten drei Tagen nicht auch Thema des »33C3«, des 33. Chaos Communication Congress in Hamburg wäre. 12 000 Teilnehmer haben sich beim größten europäischen Ereignis seiner Art angemeldet - es ist seit Wochen ausverkauft. »Works for me«, so lautet das Motto, das ein Wort der Szene ironisch nutzt. »Für mich funktioniert es«, heißt das - läuft doch, so ist es zu verstehen und auf die nichtsahnenden Anwender gemünzt, wenn sie sich nicht zu helfen wissen. Der Kongress will die Anwendungen besser als bisher mitdenken, sich nicht mit der technischen Seite der Entwicklung begnügen. Aktivistin Elisa Lindinger, die in der Open Knowledge Foundation für freies Wissen eintritt, sprach von einer Welt voller Fehler. Nichts scheine mehr zu funktionieren. Statt mit den Ideen einer vernetzten Welt sei man konfrontiert mit Isolation, Depression und Hass. Zu Kongressbeginn rief die Bloggerin Anna Biselli, zum gemeinsamen Vorgehen dagegen auf. Man könne sich nicht »unter einer gemütlichen Decke verstecken«.

Die Freiheiten der Menschen würden zunehmend eingeschränkt, dies ist Bisellis wie die Sorge der meisten Teilnehmer. Es soll deshalb »gehackt« werden, was schief läuft, so eine weitere Metapher, die Sprecher des Clubs im Vorfeld nutzten, und Öffentlichkeit ist wichtiges Mittel. Längst ist aus dem Chaos Computer Club, dem konspirativen Verein von computeraffinen Außenseitern, einer geworden, der gesellschaftliche Debatten mitbestimmt, zu dessen Profil Politikberatung zählt wie Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen. Das liegt daran, dass die einst den Nerds vorbehaltenen Themen inzwischen jeden berühren - direkt oder indirekt.

Das Jahr lieferte Anlässe, das Gefühl des Ausgeliefertseins zu verstärken. Desinformationskampagnen und Fake News, Hin und Her zur Vorratsdatenspeicherung. Oder auch die Präsidentenwahl in den USA, die manipuliert wurde - von den Russen, wie die einen behaupten, und von Donald Trump, wie andere behaupten, die damit auf gezielte und von Algorithmen gesteuerte Wählerwerbung abheben. Länder wie die Türkei oder Ägypten verhängten Netzsperren, Telekom-Router fielen nach einem Hackerangriff aus. Doch auch der Staat rüstet auf, die Debatte um Videotechnik auf öffentlichen Plätzen ist nur ein Beispiel hierfür. Ein ehemaliger Techniker der US-Luftwaffe nannte in Hamburg den Drohnenkrieg einen Vorläufer einer neuen Form der Kriegführung über technische Netze - die Bundesregierung trage mit der Duldung des Zentrums in Ramstein Mitverantwortung hierfür. Und ausgerechnet am Dienstag wurde bekannt, dass Hacker Flugunternehmen und ihre Kunden austricksten, indem sie Flugdaten ausspionierten. Mit Agenturen Seite 6

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