nd-aktuell.de / 11.01.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Die wachsende Macht der Giganten

Herausgeber des »Konzernatlas« fordern schärferes Kartellrecht gegen Marktkonzentration in der Agrarbranche

Haidy Damm

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln beobachten Umweltverbände, Stiftungen und Entwicklungsorganisationen in den vergangenen Jahren einen »verheerenden globalen Trend steigender Konzernmacht«, so Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Umweltverbänden und Entwicklungsorganisationen präsentierte Unmüßig am Dienstag in Berlin die Ergebnisse des »Konzernatlas 2017«, in dem eine »immense Marktkonzentration« durch Fusionen und Übernahmen festgestellt wird.

Demnach wandeln sich bisherige transnationale Unternehmen zu globalen Playern, die immer stärker die Trends in der Landwirtschaft und dem Nahrungsmittelkonsum bestimmen. Viele von ihnen sind altbekannt wie Nestlé, Coca-Cola, Cargill, Unilever oder Mc Donald’s. Aber es kommen auch neue Player dazu wie die brasilianischen Konzerne JBS und BRT, die heute führend in der Fleischindustrie sind und bereits mehrere US-Firmen in ihre Konzernstruktur integriert haben. Auch die chinesischen Staatskonzerne ChemChina und COFCO sind rund um den Globus auf Einkaufstour. Weltweit liege dadurch die Lebensmittelerzeugung in der Hand von nur wenigen Großkonzernen, die seit den 1980er Jahren zu beobachtenden Konzentrationsprozesse seien entlang der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette zu beobachten, so Unmüßig.

So kontrollieren nur noch vier Konzerne rund drei Viertel des Welthandels mit Agrarrohstoffen. Die drei Konzerne Deere&Company (USA), CNH Industrial (Niederlande) sowie der US-Konzern AGCO dominieren 50 Prozent des Weltmarkts für Landtechnik – kleinere Marken werden entweder aufgekauft oder verdrängt.

Das gilt auch im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels. Allein in Deutschland decken mit Edeka, Rewe, Lidl und Aldi nur noch vier Supermarktketten 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels ab. Die jüngsten Auseinandersetzungen in diesem Bereich seien da nur »die Spitze des Eisbergs«, so Unmüßig. Für die Angestellten drohe nach der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann, dass Edeka und Rewe ihre Filialnetze mittelfristig »rigoros ausdünnen«, warnt Dagmar Enkelmann, Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zugleich drücke die Preispolitik der Supermarktkonzerne auf die Standards in der Produktion. »Arbeit unter Pestizidregen auf Bananenplantagen oder Hungerlöhne für Teepflückerinnen sind auch dort verbreitet, wo für hiesige Supermarktregale geschuftet wird«, so Enkelmann.

Weitere Mega-Fusionen sind auch in der Agrarchemie geplant: Neben dem Zusammenschluss von Bayer und Monsanto wollen die US-Chemiekonzerne Dow Chemical und Dupont sowie der schweizerische Syngenta-Konzern mit dem größten chinesischen Chemieunternehmen ChemChina fusionieren. Damit würden künftig drei Konzerne mehr als 60 Prozent des globalen Marktes für kommerzielles Saatgut und für Pestizide beherrschen, heißt es im Konzernatlas. Hinzu komme die Digitalisierung in der Landwirtschaft, die dazu führe, dass sich Agrartechnikkonzerne, Big-Data-Unternehmen und die Agrarchemie verknüpfen. Eine Zukunftsvision, die erneut die Möglichkeiten großer exportorientierter Betriebe erweitere, die bereits durch die EU-Subventionspolitik bevorzugt werden.

Angesichts dieser Entwicklungen warnen die Organisationen vor wachsender Konzernmacht. »Wie lange bleibt Deutschland noch gentechnikfrei, wenn Monsanto zukünftig ein deutsches Unternehmen ist?«, fragt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, und warnt: »Marktmacht wird politische Macht und verhindert Veränderungen.« Kleinbauern, Landarbeiter und regionale Lebensmittelhersteller würden weiter verdrängt – ein globales Problem. So dominieren beim Tee drei Konzerne 80 Prozent des weltweiten Marktes und damit den Preis – am Supermarktregal bedeutet das nicht nur weniger Auswahl, sondern macht auch den direkten Zugang für Erzeuger zum Markt schwieriger. Landwirte stünden am Ende der Lieferkette, in der das meiste Geld in der vor- und nachgelagerten Produktion verdient wird, so Weiger. Auch deshalb müsse mehr in die ökologische Landwirtschaft investiert werden, die auf regionale Kreisläufe setze. Widerstand gegen diese Entwicklung werde oftmals kriminalisiert oder verschwiegen, sagt Unmüßig und verweist auf weltweite Kämpfe gegen Landgrabbing.

Die Herausgeber fordern von der Politik, stärker gegen diese globalen Konzentrationsprozesse vorzugehen – etwa durch eine Verschärfung des Kartellrechtes. Weder Verbrauchermacht noch freiwillige Selbstverpflichtung werden dem Problem gerecht, so Enkelmann.