nd-aktuell.de / 18.01.2017 / Ratgeber / Seite 22

Bestandsschutz: keine neue Begutachtung

Leserfragen zur zweiten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes

Was ist der Kern der Änderungen?

Mit der zweiten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes wird das Leistungsangebot für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ausgebaut. Betroffen sind davon rund 2,8 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Die bisherigen drei Pflegestufen werden auf fünf sogenannte Pflegegrade ausgeweitet. Eingeführt wird ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Das hat zur Folge, dass künftig nicht mehr nur Menschen mit körperlicher Einschränkung voll in den Leistungskatalog einbezogen werden, sondern gleichberechtigt auch 1,6 Millionen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und schwindender geistiger Kraft wie Demenzkranke. Demenzkranken wird Anspruch auf die gleichen Leistungen eingeräumt wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Dementsprechend ändern sich die Begutachtungsverfahren grundlegend: Es wird nicht mehr nach Minuten abgerechnet, sondern nach dem Grad der Selbstständigkeit.

Erfolgt ein neues Begutachtungsverfahren für jene, die bisher eine Pflegestufe hatten?

Nein. Alle, die schon bis zum 31. Dezember 2016 pflegebedürftig waren und Leistungen bezogen, müssen keinen Antrag auf Neubegutachtung stellen. Die Überleitung erfolgt automatisch. Sollte aber jemand bis Ende des Jahres keinen Überleitungsbescheid bekommen haben, sollte er sich spätestens im Januar bei seiner Pflegekasse melden. Natürlich können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auch einen Antrag auf Neubegutachtung stellen. Das ist dann sinnvoll, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert hat und deshalb mehr pflegerische Unterstützung benötigt wird.

Gibt es so etwas wie einen Bestandsschutz?

Ja, Betroffene, die 2016 schon pflegebedürftig waren, werden durch die Umstellung in aller Regel bessergestellt. Keiner der rund 2,8 Millionen Leistungsbezieher aus der sozialen und der privaten Pflegeversicherung soll schlechter gestellt werden.

Sind die Leistungen geringer als vorher?

Nein, im Gegenteil. Pflegebedürftige werden grundsätzlich besser eingestuft. Solche mit körperlichen Einschränkungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächsthöheren Pflegegrad. Pflegebedürftige mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz etwa wegen Demenzerkrankung werden zwei Pflegegrade höher eingestuft.

Was bedeutet das im Einzelnen?

Ein Pflegebedürftiger mit körperlichen Einschränkungen, der bisher die Pflegestufe 1 hatte, kommt automatisch in den Pflegegrad 2. Ein Pflegebedürftiger, der in der Pflegestufe 1 ist und zudem in seinen Alltagskompetenzen eingeschränkt ist, bekommt automatisch den Pflegegrad 3 und so weiter. Für die bisherige höchste Pflegestufe 3 gibt es den Pflegegrad 4 und mit eingeschränkten Alltagskompetenzen den höchsten Pflegegrad 5.

Wer bekommt den neuen Pflegegrad 1?

Den Pflegegrad 1 gibt es praktisch nur für Pflegebedürftige, die ihren Antrag im neuen Jahr, also 2017, stellen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), der für die Begutachtung zuständig ist, rechnet damit, dass 2017 zusätzlich rund 200 000 Bedürftige erstmals Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Mittelfristig geht man von zusätzlich 500 000 Menschen aus, die Leistungen erhalten.

Wer sollte gleich Anfang 2017 einen Antrag stellen?

Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen wie Demenzkranke oder ihre Angehörigen, sofern sie dies nicht schon getan haben. Denn für sie erhöht sich ab 1. Januar 2017 die Chance, zumindest in den Pflegegrad 1 zu kommen. Das gilt auch für Menschen, die absehbar nur einen geringen Unterstützungsbedarf haben.

Was gilt ab Januar 2017 für Pflegebedürftige in Heimen?

Für die Pflegegrade 2 bis 5 sind die pflegebedingten Eigenanteile gleich hoch und erhöhen sich nicht mehr durch steigende Pflegebedürftigkeit. Für übergeleitete Leistungsempfänger, deren Eigenanteil im Januar höher ist als bisher, zahlt die Pflegekasse die Differenz.

Welche Verbesserungen gibt es für pflegende Angehörige?

Der Gesetzgeber will, dass der Pflegebedürftige möglichst lange im persönlichen Umfeld bleibt. Daher stärkt er privates Engagement für die schwere Pflegearbeit vor allem in der Familie. Künftig werden pflegende Angehörige in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert. Zudem werden Hilfen für Urlaub oder bei Krankheit verbessert. joh