nd-aktuell.de / 19.01.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Kein Mangel an Terminen beim Facharzt?

Sandra Trauner

Frankfurt/Berlin. Knapp ein Jahr nach der Einführung der Callcenter ist die Bilanz ernüchternd. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegt die Zahl der Termine, die im ersten Jahr vermittelt wurden, bundesweit unter 120 000 - bei 580 Millionen ambulanten Behandlungsfällen pro Jahr.

Schneller zum Facharzt mit einem einzigen Telefonanruf. Das war die Idee. Das Bundesgesundheitsministerium hatte sie gegen den Widerstand der Ärzteschaft durchgesetzt. Patienten brauchen dafür eine als dringlich eingestufte Überweisung vom Hausarzt. Dann können sie sich an die Kassenärztliche Vereinigung ihres Bundeslandes wenden. Die Mitarbeiter müssen dem Patienten innerhalb einer Woche einen Termin beim Facharzt vermitteln.

»Etwa die Hälfte der Anrufer erfüllt nicht die Voraussetzung für eine Vermittlung«, berichtet Stefanie Wagner: Sie hätten entweder keine Überweisung oder diese habe nicht den Dringlichkeitscode. Dr. Detlef Oldenburg und seine Kollegen von der HNO-Praxis am Klinikum Hanau hatten im vergangenen Jahr 25 Patienten, die über die Terminservicestellen vermittelt wurden. »Da hat man das Geld der Versicherten sinnlos rausgeworfen«, findet Oldenburg. Braucht ein Patient dringend einen Facharzt-Termin, sei es »praktische Realität«, dass der Hausarzt einen Facharzt anrufe.

Die Krankenkassen sehen das anders. Bekämen Woche für Woche mehr als zweitausend Menschen über den Terminservice einen Facharzttermin, weil es anders nicht geklappt hat, dann habe sich deren Notwendigkeit bestätigt, findet GKV-Spitzenverbandschefin Doris Pfeiffer. Für Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz tragen die KV-Organisatoren Mitschuld für die schlechte Annahme: »Service sieht anders aus.«

Die Kassenärztlichen Vereinigungen waren von Anfang an gegen diese Idee. Nach einem Jahr fühlen sie sich bestätigt. In Hessen wurden nach Zählung der KV seit der Einführung gerade mal rund 9000 Termine vermittelt - im Durchschnitt 36 pro Arbeitstag. »Und das bei Kosten von rund einer Million Euro«, schimpft Vorstandsvorsitzender Frank Dastych. »Das Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen könnte nicht negativer sein.« dpa/nd