nd-aktuell.de / 19.01.2017 / Politik / Seite 6

Kein Schmerzensgeld wegen Kopftuchverbots

Verwaltungsgericht in Niedersachsen weist Klage einer muslimischen Lehrerin ab

Hagen Jung

Noch galt in Niedersachsen das generelle Kopftuchverbot im Schuldienst, als sich eine muslimische Pädagogin 2013 um die Anstellung an einer staatlichen Schule in Osnabrück bewarb. Mit Erfolg. Die zuständige Landesbehörde erfreute die Bewerberin mit einer Zusage, machte dann aber kehrt, als bekannt wurde: Die künftige Lehrerin, gläubige Muslima, wolle sich auch im Unterricht nicht von ihrem Kopftuch trennen.

Das Amt zog sein Ja zurück, die Frau sah in diesem Schritt eine religiöse Diskriminierung, verklagte deshalb das Land auf Entschädigung und Schmerzensgeld. Beides wird die Frau jedoch nicht bekommen, sofern das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück rechtskräftig wird. Es hat die Klage am Mittwoch abgewiesen.

Gestützt hatte die Lehrerin ihre Forderungen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und auf ein 2015 ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte entschieden: Pauschale Kopftuchverbote für Lehrerinnen seien angesichts der im Grundgesetz verankerten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht rechtmäßig. Sie dürften nur dann verhängt werden, wenn eine »hinreichend konkrete Gefahr« für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität durch das Tragen jener Kopfbedeckung besteht.

Da dieser Spruch aber erst zwei Jahre nach der missglückten Einstellung in Osnabrück ergangen war, könne sich die Lehrerin nicht auf die höchstrichterliche Instanz berufen, so das Verwaltungsgericht. Im Jahr 2013 sei noch die Rechtslage von 2003 zu beachten gewesen. Damals aber hatte das Bundesverfassungsgericht keine »Gefahr« als Anlass für ein Kopftuchverbot gefordert, sondern nur verlangt: Die Bundesländer, denen im föderalen System die Kompetenz in Schulangelegenheiten zusteht, müssten ein Kopftuchverbot gesetzlich verankern - wenn sie es denn wollten.

Schulbehörden, das ergab sich aus diesem Urteil, können nicht nach Lust und Laune die umstrittene Kopfbedeckung aus dem Unterricht verbannen. Niedersachsen folgte seinerzeit den Verfassungsrichtern, verabschiedete für ein Kopftuchverbot ein Gesetz, das sämtliche religiöse und weltanschauliche Symbole im Unterricht untersagte. Es wurde dann 2015, nach der neuen bundesrichterlichen Entscheidung, aufgehoben.

Weil zum Zeitpunkt der missglückten Einstellung vor dreieinhalb Jahren noch das alte »Kopftuchgesetz galt«, nicht aber »wegen ihrer Religion«, sei die Lehrerin abgewiesen worden, meint das Verwaltungsgericht, das in der damaligen Entscheidung der Behörde nichts Diskriminierendes sieht. Die Klägerin, sie unterrichtet mittlerweile an einer nicht-staatlichen Schule, kann das Urteil innerhalb eines Monats per Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht anfechten.

Nicht allein Niedersachsen hatte 2015 auf den Spruch des Bundesverfassungsgerichts reagiert und das pauschale Kopftuchverbot aufgehoben. Bremen und Nordrhein-Westfalen entschieden ähnlich. Die Angelegenheit zu prüfen, sagten seinerzeit das Saarland sowie Hessen zu und auch Baden-Württemberg, wo mittlerweile bereits Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten. Aus Bayern hieß es, man wolle »im Einzelfall entscheiden«. Alle übrigen Flächenländer und auch Hamburg hatten und haben kein Kopftuchverbot.

Im Berlin jedoch gilt nach wie vor das »Neutralitätsgesetz«, das unverändert ein Nein zum Kopftuch für Unterrichtende zur Folge hat. Erst vor wenigen Wochen hatte Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) angeregt, diese Bestimmung auf den Prüfstand zu stellen.

Eine wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellte Grundschullehrerin in der Hauptstadt hatte im vergangenen Jahr eine ähnliche, mit Diskriminierung begründete Schadensersatzklage eingereicht wie ihre Berufskollegin in Osnabrück - und war damit ebenfalls gescheitert. Laut Urteil des Arbeitsgerichts enthalte das Berliner Neutralitätsgesetz »keine gleichheitswidrige Privilegierung zugunsten christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen«.