nd-aktuell.de / 20.01.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 5

Streit um Gütesiegel für Tierhaltung

Bundeslandwirtschaftsministerium schlägt staatliches Label für Fleisch und Wurst vor

Haidy Damm

An jeder Fleischtheke soll es künftig gekennzeichnete Produkte geben, die auf die Tierhaltung hinweisen. So will es Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und schlägt anlässlich der Grünen Woche in Berlin ein neues Tierwohllabel vor. Unterschieden wird in zwei Stufen: Standard und Premium. Letzteres - darauf deutet schon das Wort hin - wird etwas mehr kosten, aber die Produkte des Tierwohllabel sollen »bezahlbar bleiben«, so der CSU-Politiker. Gemeinsam mit Erzeugern von Fleisch und Wurst will er Standards für eine artgerechte Tierhaltung definieren, die oberhalb der gesetzlichen Vorgaben liegen sollen: Mehr Platz im Stall, besseres Futter oder Spielmaterial zur Beschäftigung.

Damit bringt Schmidt ein staatliches Gütesiegel ins Spiel - bisher gibt es nur verschiedene Orientierungshilfen wie die 2015 gestartete »Initiative Tierwohl«. Hier haben sich die teilnehmenden Händler verpflichtet, für jedes verkaufte Kilo Fleisch vier Cent in einen Fonds einzuzahlen. Mit dem Geld werden Landwirte gefördert, die ihre Ställe umwelt- und tierfreundlicher ausbauen als gesetzlich vorgeschrieben. Am einzelnen Produkt jedoch erkennt der Verbraucher nicht, ob er Fleisch von einem Tier kauft, das nach den Tierwohl-Kriterien gehalten wurde. Diese Initiative sieht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, durch Schmidts Vorschlag gefährdet. Das Staatslabel müsse mit der Initiative verzahnt werden, dann würden die Bauern das Vorhaben begleiten. Tierschützern ging die Initiative schon vorher nicht weit genug - mehrere Verbände verließen die Tierwohl-Runde.

Lob für die Pläne des Agrarministers gab es von Verbraucherschützern. »Gut zwei Drittel der Verbraucher wünschen sich eine solche Information«, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. »Ein solches Label muss so einfach wie möglich gestaltet sein, idealerweise zweistufig. Ich muss sehen: Diesem Tier ging es besser als nach dem gesetzlichen Standard und jenem sogar deutlich besser«, forderte Müller.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) dagegen kritisierte Schmidts Vorschlag als »unzureichend«. Er setze erneut auf Freiwilligkeit, obwohl bisherige Versuche wie die Initiative Tierwohl nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt hätten. »Nur eine verbindliche staatliche Haltungskennzeichnung entspricht dem Wunsch der Verbraucher nach einer klaren Kennzeichnung«, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger und empfahl eine Regelung nach dem Vorbild der Eierkennzeichnung.

Auch die Verbraucherorganisation foodwatch und die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) halten Schmidts Vorschlag für »ungeeignet, weil davon immer nur ein kleiner Teil der Tiere profitieren kann«, heißt es in einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten gemeinsamen Stellungnahme. Sie berufen sich auf den Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des Ministeriums, der für Produkte mit dem »Tierwohl«-Siegel einen Marktanteil von gerade einmal 20 Prozent erwartet.

Foodwatch und TVT fordern stattdessen tierschutzgerechte Haltungsbedingungen für alle Nutztiere. Der erste Schritt müsse die Erfassung des Tiergesundheitsstatus in allen Betrieben sein. Zudem müssten Faktoren wie Besatzdichte, Stallbau, Auslauf, Transport oder Schlachtung flächendeckend verbessert und EU-weit durchgesetzt werden. Bis dahin wollen sie ebenfalls ein eigenes Label: »Tierleid - staatlich geduldet« solle verpflichtend auf jenen 80 Prozent der Tierprodukte abgebildet werden, bei denen Schmidt in Kauf nehme, dass die Tiere nicht »tierwohlorientiert« gehalten würden - nur so würde die Supermarktillusion gesund gehaltener Tiere beendet.