nd-aktuell.de / 25.01.2017 / Kultur / Seite 15

Humor vs. Hammer

»Toni Erdmann« ist für einen Oscar nominiert

Tobias Riegel

Nach der Nominierung für einen Oscar als »bester fremdsprachiger Film« am Dienstag besteht nun also doch noch Hoffnung, dass Maren Ades Film »Toni Erdmann« Gerechtigkeit widerfährt. Beim Filmfestival in Cannes wurde die wunderbare Tragikomödie schwer nachvollziehbar von Ken Loachs »I, Daniel Blake« ausgestochen, bei den Golden Globes hatte Paul Verhoevens pseudoradikale Pseudo-Farce »Elle« als »bester nichtenglischsprachiger Film« die Nase vorn. Nun müssen nur noch die Mitkonkurrenten »Land of Mine« (Dänemark), »A Man Called Ove« (Schweden), »The Salesman« (Iran) und »Tanna« (Australien) ausgestochen werden - das ist machbar und, völlig abgesehen vom Herkunftsland des Films, auch wünschenswert und gerecht, denn »Toni Erdmann« ist der beste Film in dieser Auswahl.

Wenn die Nominierung von »Toni Erdmann« als Überraschung gelten darf, so war es eine der ganz wenigen bei der Kandidatenauswahl zum »wichtigsten Filmpreis der Welt«. Beim »Besten Film« sticht möglicherweise das Low-Budget-Drama »Moonlight« heraus, das ohne Stars die Coming-Of-Age-Geschichte eines afroamerikanischen Schwulen erzählt und das auch für die Nebendarsteller, die Kamera, die Regie, den Schnitt, Kostüme, Make-up, Originalmusik und das adaptierte Drehbuch nominiert wurde. Barry Jenkins’ authentische Alltagsstudie wurde allerdings dermaßen mit Vorschusslorbeeren überhäuft, dass wiederum eine Nichtbeachtung etwas verstört hätte.

Nicht überraschend, aber dennoch verstörend ist der exzessive Reigen für das Hochglanz-Musical »La La Land«, dem in offensichtlicher geistiger Umnachtung 14 Nominierungen - auch in allen Königskategorien wie »Bester Film«, »Beste Regie« etc. - zugedacht wurden.

Noch ein Wort zu Verhoevens »Elle«, der offensichtlich in Hollywood nicht als fremdsprachiger Film gilt - denn in dieser Sparte taucht er nicht auf, und Isabelle Huppert ist bei den »normalen« Hauptdarstellerinnen nominiert. Das ist ein Glück für Maren Ade, denn möglicherweise wäre sonst ihr feines, vor intelligentem Witz sprühendes Werk wie bei den »Globes« vom »Skandal«-Holzhammer der albernen Sadomaso-Sottise, die »Elle« unterm Strich ist, ausgestochen worden. Die Nominierung von Isabelle Huppert als »Beste Darstellerin« geht dagegen in Ordnung, denn sie strahlt in »Elle« umso heller, je hölzerner sich die »Thriller«-Handlung durch den viel zu langen Film schleppt und je pubertärer sich dort der Fäkalhumor äußert.

Fehl am Platze in der Kategorie »Bester Film« ist in diesem Jahr vor allem Mel Gibsons kriegerische Hymne an den Kameraden-Kitsch, »Hacksaw Ridge«. Hier gilt Ähnliches wie für »Elle«, denn der nominierte Hauptdarsteller Andrew Garfield hätte die Trophäe sicher verdient, auch wenn er mit Casey Affleck (»Manchester By The Sea«) und Viggo Mortensen (»Captain Fantastic«) starke Mitbewerber hat.

Auffallend ist, dass nach Protesten der letzten Jahre in fast allen Kategorien auch Afroamerikaner bzw. schwarze Themen nominiert sind.