nd-aktuell.de / 27.01.2017 / Kultur / Seite 17

Kritik unerwünscht

Ukraine: Die Regierung setzt Medien immer mehr unter Druck

Denis Trubetskoy

Der Nationale Fernsehrat der Ukraine hatte zum Anfang des Jahres eine Überraschung parat. Zwar ist es keine Neuigkeit, dass Kiew russische Fernsehprodukte verbietet: Nach dem Beginn des Russland-Ukraine-Konflikts untersagte die Ukraine die Ausstrahlung der meisten Fernsehsender aus dem Nachbarland sowie einen großen Teil der in Russland produzierten Filme. Dass Kiew aber ausgerechnet »Doschd« (deutsch: Regen), eines der wenigen unabhängigen Medien Russlands, aus den Kabelnetzen nimmt, sorgte trotzdem für Verwirrung. Denn »Doschd« ist für seine kremlkritische Berichterstattung bekannt.

Das ukrainische Gremium nannte drei Gründe für diesen Schritt. In erster Linie habe »Doschd« die von Russland annektierte Halbinsel Krim in ihren Landkarten als russisches Territorium bezeichnet, was gegen die ukrainische Gesetzgebung verstößt. Außerdem haben die »Doschd«-Reporter die Krim von Russland aus besucht - und Filme gezeigt, die russische Armee und Polizei positiv darstellen. Beides verletzt ebenfalls das ukrainische Gesetz.

Während die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien Dunja Mijatovic zusammen mit anderen internationalen Organisationen die Entscheidung Kiews kritisierte, haben die ukrainischen Politiker den Nationalen Fernsehrat in Schutz genommen. »Es ist doch eine klare Sache: ›Doschd‹ hat das ukrainische Gesetz verletzt. Außerdem können die Menschen den Sender immer noch über Internet empfangen. In Russland gibt es auch keine ukrainischen Sender in Kabelnetzen«, sagte unter anderem die Abgeordnete Iryna Geraschtschenko, die zum Team des Präsidenten Petro Poroschenko gehört.

Allerdings sind es vor allem ukrainische Medien, die mittlerweile unter großem Druck stehen. Die zweite Jahreshälfte von 2016 war gefüllt mit Angriffen auf Journalisten und Medien. Ein halbes Jahr nach dem Mord an dem Journalisten Pawel Scheremet sind keine Fortschritte bei den Ermittlungen bekannt. Auch der Angriff auf den Fernsehsender »Inter«, dessen Nachrichtengebäude Rechtsradikale in Brand setzten, blieb bis jetzt folgenlos. Auch zwei Fernsehsender, »1+1« des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, an dem Präsident Poroschenko großes Interesse hat, und »112«, hatten zuletzt große Probleme mit der Verlängerung ihrer Lizenz - ebenfalls »Radio Westi«, das immer neue Vorwarnungen von zuständigen Behörden erhält.

Dass der Druck auf die Medien in den vergangenen Wochen stark zugenommen hat, ist wohl kein Zufall. »Die Reinigung des Informationsraums ist wichtig. Ohne radikale Schritte in diese Richtung können wir uns nicht nach vorne bewegen«, schrieb unter anderem Wadym Denysenko, Abgeordneter und Medienexperte der Fraktion »Block Poroschenko« auf Facebook.

Der Kiewer Politologe Wadym Karasjow glaubt, Poroschenko wolle damit seine Macht festigen. Es gehe bei dem Druck auf die Medien auch um die Durchsetzung »zwielichtiger Gesetze«, sagt er. »Die Versuche, alternative Meinungen zu unterdrücken, haben tatsächlich stark zugenommen.« Der Politikberater Ruslan Bortnik teilt Karasjows Sichtweise: »Die Medien haben in der Ukraine schon immer eine große Rolle gespielt. Zwar werden die meisten Medien von Oligarchen kontrolliert, sie kritisieren allerdings die Machthaber. Und die Machthaber sehen schließlich den einzigen Ausweg für sich darin, diese Medien selbst zu kontrollieren.«

Alarmierend ist außerdem die Tatsache, dass Kiew zunehmend Schritte unternimmt, um die Berichterstattung aus dem umkämpften Donbass-Gebiet zu minimieren. Nicht nur ist es zuletzt deutlich schwieriger geworden, eine Akkreditierung für die Zone der sogenannten Anti-Terror-Operationen zu erhalten, seit kurzem gibt es auch eine zweite Stufe der Akkreditierung. Die Journalisten müssen vorerst an den kurzen Verteidigungskursen des ukrainischen Verteidigungsministeriums teilnehmen, wenn sie direkt an der Frontlinie arbeiten wollen. Das betrifft teilweise nicht nur ukrainische, sondern auch ausländische Journalisten. Kritiker sehen darin einen Schritt der Regierung, die Berichterstattung aus dem Konfliktgebiet zu unterbinden.