Mit dem Weltbild eines Kleinkinds

Sieben Noten zur Antrittsrede von Donald Trump

  • Felix Bartels
  • Lesedauer: 7 Min.

Es fällt schwer, den Trump an Trump auszublenden. Den stets deplatziert wirkenden Hampelmann, narzisstischen Wichtigtuer mit Syntax und Wortschatz eines Viertklässlers, das Arschloch, das Behinderte nachäfft und Frauen wie Dreck behandelt, den hochmütigen Narren, der seine Unbildung für einen Vorzug hält. All das, und was dergleichen mehr ist, trübt den Blick auf die Politik, die sich in seiner Antrittsrede vorzeichnet. Man tue sie sich daher nicht als Aufzeichnung an, sondern lese sie. Das ermöglicht, Trump als politischen Akteur ernst zu nehmen, der etwas will und etwas verspricht.

Gewiss, die Rolle des Präsidenten wird überschätzt. Donald Trump ist durchaus eine Art Nemesis, aber nicht für Obama, Bush oder sonst einen der Elendsverwalter mit ihren unwirksamen Mitteln, sondern für eine gesellschaftliche Struktur, die letztlich nicht moderierbar ist, immer wieder zu Krisen führt und so irrationale Schwankungen in Ideologie und Politik hervorbringen muss. Diese Stimmungen nun geben Aufschluss und werden spätestens dort relevant, wo aus ihnen Politik folgen soll.

Ich habe sieben Noten zur Rede und entschuldige mich, dass ich sie hier bloß additiv reihe. Es ist noch zu früh für Hypotaxe. Die Eule der Minerva kriecht auch für den Präsidenten der USA nicht vor dem Abend aus dem Bett.

(1) Die stark diskutierte Frage, ob die Rede ein faschistisches Programm enthalte, trübt mehr als aufzuklären. Obgleich Trump klassische Ideologeme des Faschismus (Verdecken von Klassengegensätzen, Volksgemeinschaft, Konstruieren äußerer und innerer Feinde) aufs Spielbrett hievt, fehlen andere Elemente, die nicht fehlen dürften (Streben nach Expansion, Eingriff in die Verfassung, Beschneidung der Bürgerrechte, Differenz zwischen Volks- und Staatsbürger etc.). Während sich all das in ein differenziertes Modell packen ließe, bleibt »Faschismus« ungeachtet seiner genaueren Bedeutung ein Krawallbegriff. Er stört, will ich sagen, zu sehr bei der Verständigung, weswegen es sinnvoll ist, ihn aus dem Spiel zu halten, solange sich das machen lässt.

(2) Die Rede ist vom ersten bis zum letzten Fetzen in Nationalismus getränkt. Aber es bleibt ein ruhender, defensiver Nationalismus. Trump sucht Anschluss an isolationistische Leitlinien, die in den USA zuletzt vor dem Ersten Weltkrieg Oberhand hatten. Wir werden, sagt er, keinem unsere Lebensweise aufnötigen, sondern als Beispiel glänzen. Diese Erklärung, auf militärische Interventionen zu verzichten, die ja doch selten mehr gebracht haben als ein Herumdoktern an Oberflächen, den Eintausch eines Elends durch ein anderes, und die oft genug von Interessen der Ökonomie begleitet waren, ist das bei weitem Beste, was sich in der Rede finden lässt.

(3) Weniger erbaulich wird es, wenn Trump über die Zukunft spricht, obwohl er sie in rosigsten Tönen malt. Das ist ein Muster, dem man in der Rede mehrfach begegnet: Das Gute kann nur bestimmt werden, indem Anderes als schlecht überzeichnet wird. Die Gegenwart ist finster, Amerika am Boden, Fabriken rosten, Kriminalität und Drogen, Schüler, die fast so ungebildet sind wie Trump selbst. Die derart beschriebene Lage lässt die Zukunft heller strahlen, und buchstäblich nichts bleibt unmöglich. Lassen Sie sich nicht einreden, sagt Trump, dass es nicht machbar ist. Keine Aufgabe könne so schwer sein, dass sie nicht bewältigt werden kann. - Voluntarismus ist die Rücknahme des Verstands auf das Primat der Praxis, philosophisch damit ebenso unterbelichtet wie politisch gefährlich. Wo rationale Herrschaft um die Grenzen der Anstrengung weiß und stets daran erinnert, dass jeglicher Gewinn mit Verlust verbunden ist, fegt Trump solche Erwägungen mit dem Weltbild des Kleinkinds weg, worin der Wille magisch und nicht durch die Umstände begrenzt ist. Folgerichtig glaubt er dann an den absoluten Aufschwung und die vollständige Auslöschung des islamistischen Terrors. Das Gemeingefährliche des rigorosen Voluntarismus liegt nicht darin, dass ein hohes Ziel gesetzt wird, sondern im ungetrübten Glauben, es ganz und aus eigener Kraft erreichen zu können.

(4) Jener umstandslose Subjektivismus ruht einem Narzissmus auf, der sich in der Rede unvermittelt zeigt. Es ist der Narzissmus eines Mannes, der sich z.B. nächtens die Finger wund twittert, weil ihn wieder irgendwer kritisiert hat. Ich will der Versuchung widerstehen, ein Psychogramm von Trump zu zeichnen, weil das von der Betrachtung hier wegführt und schon oft gemacht wurde. Beinahe alles, was über diesen Mann - befugt oder nicht befugt - behauptet wird, stimmt auch. Vermutlich ist er, gemeinsam mit dem »Bild«-Kolumnisten Franz-Josef Wagner, der authentischste Mensch der Welt, selbst dort, wo er sich müht zu lügen oder Finten zu schlagen. Die gegenwärtige Machtübergabe, lässt Trump uns wissen, ist keine gewöhnliche Ablösung einer Regierung durch eine andere. Natürlich nicht. Ein Lothar Matthäus macht keine gewöhnlichen Sachen, selbst seine Weltmeisterschaften sind solitär. Heute löse, erklärt Trump, das Volk selbst die Regierung ab. Er nämlich ist das Volk. Nicht anders lässt sich das verstehen. Sich - gewählt bloß von einer Minderheit - dennoch als Sachwalter des Volkes sehen, das geht noch zu denken. Das Volk selbst aber, sagt er, kontrolliere nun die Regierung, es sei nun der Herrscher dieser Nation. Mit Rücksicht auf das präsidiale System und darauf, dass die Verfassung nach wie vor die alte ist, bleibt hier nur die Lesart, dass der Volkswille im persönlichen Willen von Trump ganz aufgeht. Es sind schon Leute für weniger weggeschlossen worden.

(5) Doch dieser Narzissmus hat auch praktische Vorzüge; er ermöglicht dem Präsidenten, das Paradoxon zu überwinden, dass er gegen einen Betrieb wettert, dem er seinen Erfolg verdankt. Mit nahezu drei Millionen Stimmen weniger als Clinton siegte Trump vermöge eines Systems, das zwischen Wählerwille und Regierungsbildung verschiedene Instanzen der Vermittlung setzt und dessen Vorzüge wohl nur zu schätzen weiß, wer gerade davon profitiert. Trumps fortwährende Polemik gegen das Establishment und den Betrieb von Washington ist zumindest unterhaltsam: Eben diesem Establishment und seinem Betrieb verdankt er, dass er überhaupt im Amt ist.

(6) Die Polemik gegen das Establishment hat eine weitere Dimension, die ich in dieser Rede für die wichtigste halte. Trump redet von der miserablen Lage der Volkswirtschaft, von geschlossenen Fabriken, Arbeitslosigkeit, Armut. Und da er bis zwei zählen kann, kennt er auch zwei, die dafür können: Washington nämlich und das Ausland. Er verteilt die Schuld sorgsam auf einen inneren und einen äußeren Feind. Der innere ist das Establishment bzw. der Staat mit seinen Organen. Wir reden von ökonomischen Vorgängen, in die der milliardenschwere Kapitalist Trump doch mehr als nur ein wenig verstrickt ist. Die Ursache der unmittelbaren Bewegungen des Kapitalismus soll aber nicht in seinen Strukturen liegen, sondern im Staatsapparat. So durchschaubar diese Exkulpierung des Kapitals ist, so unbezifferbar einfältig die Vorstellung, ökonomische Prozesse seien simpel eine Frage der staatlichen Politik, so bedrohlich ist die Zurechtschlachtung noch dieses falschen Gedankens, indem nicht einmal über wirtschaftspolitische Methoden, sondern allein von Korruption und Interessen gesprochen wird. Es passt zu Trump, der allgemein dadurch auffällt, keine Methoden zu kennen, dessen Ansätze bestenfalls disparat und meist doch einfach sprunghaft sind. In einem Umfeld allerdings, worin der Glaube verbreitet ist, dass die Wurzel allen Übels im Staat liege und die Gesellschaft besser sich selbst überlassen werden sollte, kann eine solche Rhetorik verfangen.

(7) Zum inneren Feind tritt der äußere bzw. der von außen kommende. Trump führt die Schieflage der USA direkt auf eine Bereicherung des Auslands an der nationalen Wirtschaft zurück. Ferner will er Zuwanderung begrenzen, womit nicht nur Ähnlichkeiten zu Populisten wie Petry, Wagenknecht und Seehofer oder dem rechten Flügel der TTIP-Kritiker deutlich werden, sondern auch ein wesentliches Element des amerikanischen Ideals zurückgenommen ist. Die USA waren stets eine Nation von Einwanderern für Einwanderer, in der Herkunft weniger zählte als Ideologie. Der American Dream, so beschränkt er als Ideal ist, war human, weil er für alle Menschen galt, und nichts konnte für amerikanischer genommen werden als der Entschluss, dorthin zu gehen und sein Glück zu verfolgen.

So traurig ist das schon alles, und so unentschieden noch. Die Stelle aber, an der es heißt, dass, wo das Herz dem Patriotismus geöffnet werde, kein Raum für Vorurteile bleibe, gibt dann doch einen Funken Hoffnung. Wer so gute Gags erzählt, kann kein gänzlich schlechter Mensch sein.

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