nd-aktuell.de / 28.01.2017 / Politik / Seite 18

2. »Deutschland ist ein sehr gleiches Land«

Die Ungleichheit sei hierzulande »recht unspektakulär«, schreiben die Ökonomen Lars P. Feld und Christoph M. Schmidt. Denn »hinsichtlich der Einkommensverteilung rangiert Deutschland etwa im Mittelfeld der OECD-Länder«. Kein Grund zur Aufregung oder Umverteilung?

Gegenargument

Es stimmt, in vielen Ländern sind die Einkommen ungleicher verteilt als in Deutschland. Allerdings ist die Kluft zwischen Arm und Reich in den Industriestaaten insgesamt gestiegen: »Noch nie in der Geschichte der OECD war die Ungleichheit in unseren Ländern so hoch wie heute«, erklärte der Generalsekretär der Industrieländer-Organisation OECD, Angel Gurría, bereits 2015. Der Maßstab hat sich also verschoben: Was heute »unspektakulär« ungleich ist, war früher spektakulär ungleich.

Zweitens bezieht sich das Argument nur auf die Einkommen - bei den Vermögen ist die Verteilung in Deutschland extrem ungleich. Laut Bundesbank besaßen im Jahr 2014 die reichsten zehn Prozent fast 60 Prozent des Nettovermögens. Vielleicht sind es auch 70 Prozent, so genau weiß man das nicht.

Drittens sind die verfügbaren Einkommen in Deutschland laut OECD zwar gleichmäßiger verteilt als im Durchschnitt der anderen Industrieländer. Bei den Markteinkommen - also vor staatlicher Umverteilung über Steuern und Leistungen - sieht die Sache aber anders aus. Gerade Niedriglöhne sind in Deutschland besonders weit verbreitet, auch im internationalen Vergleich.

All das bedeutet: Viele Menschen verdienen sehr wenig, einige sehr viel. Dass die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen geringer ist, liegt an der staatlichen Umverteilung über Steuern und Sozialleistungen. Das ist ein Argument für Umverteilung - und nicht gegen die Existenz von Ungleichheit in Deutschland.