Ein Falke fürs Oberste Gericht

Präsident Trump nominiert Neil Gorsuch

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

»Richter Gorsuch hat herausragende Fähigkeiten, er ist brillant, verfügt über enorme Disziplin und genießt parteiübergreifende Zustimmung«, sagte Donald Trump im Weißen Haus, während der Gelobte bescheiden lächelte. In einer kurzen Ansprache unterstrich er seine Überzeugung, die Gerichtsbarkeit habe sich auf die Rechtsauslegung und nicht auf die Gesetzgebung zu konzentrieren. Damit attackierte er indirekt unabhängige, reformorientierte Richter, die von den Ultrarechten seit Jahren als »aktivistisch« oder »links« denunziert werden. Die exakt in die Hauptsendezeit der TV-Stationen gelegte Ernennung war so orchestriert, dass sie nach den Massendemonstrationen der Tage zuvor in den aufgewühlten USA den Eindruck von Normalität erwecken sollte.

Der konservative Jurist aus dem Bundesstaat Colorado gehört seit 2006 einem von 13 Berufungsgerichten an. Er hatte nach dem Studium an den US-Eliteuniversitäten Columbia und Harvard sowie in Oxford für Oberste Richter gearbeitet und war dann zum Top-Juristen in der zweithöchsten Gerichtsbarkeit der Colorado-Hauptstadt Denver aufgestiegen. Als unbestritten gelten seine hervorragenden juristischen Fähigkeiten. Ein Blick auf Urteile, an denen er beteiligt war, zeigt jedoch auch seine ideologisch zum Teil scharf rechte Gesinnung.

Im Vorjahr bezeichnete er seinen Vorgänger Antonin Scalia als »Rollenvorbild«. Wie dieser tat sich Gorsuch im Berufungsgericht als Gegner von Abtreibungsrecht und Umweltschutz hervor. Zudem urteilte er mehrmals zugunsten von Großunternehmen und ultrarechten christlichen Verbänden. Er kritisierte öffentlich Linke und Liberale, die sich für die formale Gleichstellung von Homosexuellen eingesetzt haben, die Präsident Barack Obama dann durchsetzte. Die linke Zeitschrift »The Nation« mutmaßt, dass sich Gorsuch künftig auch für die Einschränkung des Wahlrechts von Minderheiten stark machen werde. Geht es nach Trump und den Republikanern, dann ist der 49-Jährige der Garant für viele Jahre reaktionärer Gerichtsentscheidungen. Sie sollen die weiße, männliche und christliche Dominanz in »God’s own country« zementieren. Viele gesellschaftlich umstrittene Themen wie die Todesstrafe, das Recht auf Abtreibung und Waffenbesitz oder die Rechte von sexuellen Minderheiten werden von Urteilen des Obersten Gerichts geprägt. Kommt Gorsuch durch, schlägt das Pendel für mindestens eine Generation weit nach rechts aus.

Richter am Supreme Court werden von US-Präsidenten auf Lebenszeit ernannt, müssen aber vom Kongress gebilligt werden. Der neunte Sitz im Obersten Gericht, den Gorsuch einnehmen soll, war frei geworden, als der Rechtsaußen Anthony Scalia im Februar vergangenen Jahres starb. Der von Obama nominierter Nachfolger Merrick Garland wurde von den Republikanern im Kongress mit verfahrenstechnischen Manipulationen verhindert. Garland wurde weder angehört noch wurde über ihn abgestimmt. Mitch McConnell, der republikanische Chef im Senat, hatte damals das Vorgehen mit der fadenscheinigen Begründung verteidigt, der Wahlkampf verbiete eine Neubesetzung. Das Volk selbst solle entscheiden.

Den Affront haben viele Demokraten nicht vergessen. Die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete die Nominierung als »ausgesprochen feindselig«. Senator Jeff Merkley aus Oregon schrieb auf Twitter, es handele sich »nicht nur um einen gestohlenen Sitz«; Trump habe zudem einen Rechtsextremisten nominiert. Das sei nicht zu akzeptieren.

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