nd-aktuell.de / 27.01.2007 / Kultur

Gruseliges London

Abenteuerromane sind meist wunderbar bequem: Der Held trotzt schlimmsten Gefahren; man selber kuschelt behaglich im Sessel. Tom Tin allerdings reißt den Leser hinaus aus dieser Gemütlichkeit und zerrt ihn förmlich ins feuchte, neblige London von 1825. Fast meint man den Gestank der Gosse zu riechen, fühlt sich unwillkürlich beobachtet und spürt, wie zerlumpte Straßenkinder einem im Dunkeln in die Taschen greifen. Hier lebt Tom Tin. Der Sohn eines Seefahrers scheint das Unglück gepachtet zu haben: Die Mutter ist nervenkrank, der Vater sitzt im Schuldgefängnis. Um ihn auszulösen, muss Tom dringend Geld beschaffen. Durch einen unwahrscheinlichen Zufall findet er im Themseschlamm einen Diamanten, verliert ihn aber sofort wieder, wird willkürlich verhaftet und völlig grundlos wegen Mordes verurteilt. Tom landet auf einem Gefängnisschiff, wo er bis zur Erschöpfung sinnlose Zwangsarbeit verrichten muss. Gemeinsam mit anderen gelingt ihm auf spektakuläre Weise eine letztlich wieder vereitelte Flucht, aber ... Die außergewöhnlich packend erzählte und voller Überraschungen steckende Geschichte könnte selbst Lesemuffel überzeugen. Dass der Roman auf mehrere Fortsetzungen hin konzipiert wurde, muss heutzutage wohl so sein. Bloß das bange Warten auf Teil zwei ist jetzt extrem lästig! Udo Bartsch
Iain Lawrence, Tom Tin und das Sträflingsschiff, Verlag Freies Geistesleben, 260 Seiten, 15,50 Euro (ab 12 Jahre)