nd-aktuell.de / 08.02.2017 / Politik / Seite 8

CSU weist Forderung nach humanitären Visa zurück

EuGH-Generalanwalt: EU-Staaten müssen Verfolgten Einreise genehmigen / Pro Asyl sieht »Sternstunde der Menschenrechte«

Luxemburg. Die Forderung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH), verfolgten Menschen in EU-Botschaften Visa auszustellen, stößt in der CSU auf Kritik. Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser, erklärte am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk, man könne angesichts der weltweiten Konflikte nicht allen eine Route in den Schengenraum eröffnen. Ein EU-Visum gelte nicht nur für ein bestimmtes Land, so seine Begründung. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte dagegen die Stellungnahme von Generalanwalt Paolo Mengozzi. Sollte der EuGH in dessen Sinne urteilen, wäre das eine »Sternstunde der Menschenrechte«.

Nach Einschätzung von Menggozzi müssen Menschen nach Europa einreisen dürfen, wenn ihnen Folter oder eine andere unmenschliche Behandlung droht. EU-Staaten dürften in solchen Fällen die Ausstellung humanitärer Visa nicht verweigern, argumentiert der Generalanwalt in einer am Dienstag in Luxemburg veröffentlichten Stellungnahme für den EuGH. Ein Urteil fällt erst zu einem späteren Zeitpunkt. Das Gutachten ist für den Gerichtshof nicht bindend, in den meisten Fällen folgt er ihm aber.

Im konkreten Fall geht es um ein syrisches Ehepaar aus Aleppo mit drei kleinen Kindern. Die Familie hat im libanesischen Beirut humanitäre Visa für Belgien beantragt, um dort Asylanträge stellen zu können. Humanitäre Visa gelten nur für einen oder mehrere Staaten des Schengen-Raums.

Doch kaum ein Migrant kann derzeit auf ein solches Papier hoffen. Die Familie aus Syrien berichtet von schrecklichen Erlebnissen, von Entführung und Folter. Als orthodoxe Christen seien sie zudem in Gefahr, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden, argumentiert die Familie.

Das belgische Ausländeramt lehnte die Anträge ab. Die Behörde ging davon aus, dass die Familie sich länger als die eigentlich mit einem Visum bewilligten 90 Tage in Belgien aufhalten wollte - schließlich wollten die Syrer dort Asylanträge stellen. Zudem seien die EU-Staaten nicht verpflichtet, alle Menschen, die eine katastrophale Situation durchlebten, bei sich aufzunehmen, hieß es.

Das lässt Generalanwalt Mengozzi nicht gelten. Da sich die Mitgliedsstaaten bei Visaentscheidungen auf eine EU-Verordnung stützten, gelte auch die EU-Grundrechtecharta. Darin wiederum sind die Rechte auf Asyl und das Verbot von »Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung« festgeschrieben. Diese Rechte hätten die Behörden ohne jede räumliche Einschränkung zu wahren, so Mengozzi. Wenn Menschen in höchster Gefahr seien, müssten EU-Staaten ihnen die Einreise erlauben - unabhängig davon, ob es zwischen der betreffenden Person und dem Zielland eine Verbindung gibt. dpa/nd