nd-aktuell.de / 27.01.2007 / Wissen

Warum Atome stabil sind

Vor 100 Jahren wurde der japanische Physiker Hideki Yukawa geboren

Martin Koch
Nach den Gesetzen der klassischen Physik dürfte es eigentlich gar keine stoffliche Materie geben. Denn ab dem Element Helium bestehen alle Atomkerne aus ungeladenen Neutronen und elektrisch positiv geladenen Protonen, die sich gegenseitig abstoßen. Folglich müsste jedes Atom unweigerlich zerplatzen. Warum dies dennoch nicht geschieht, ist eine Frage, auf die selbst Werner Heisenberg in den frühen 1930er Jahren keine befriedigende Antwort fand. Dies gelang erst 1935 dem japanischen Physiker Hideki Yukawa. Er nahm an, dass zwischen den Protonen (und Neutronen) im Atomkern neben der elektromagnetischen eine weitere Kraft wirkt, die zwar extrem stark, aber nur von äußerst geringer Reichweite ist und durch ein relativ schweres Teilchen vermittelt wird. Damit nicht genug sagte Yukawa voraus, dass die Masse dieses damals noch unbekannten Teilchens rund 270 Mal größer sei als die Masse des Elektrons. Sie liegt demnach zwischen den Massenwerten von Elektron und Proton, weswegen die neuen Elementarteilchen später als Mesonen bezeichnet wurden. Kaum hatte Yukawa seine Theorie der Kernkraft publiziert, machten sich einige namhafte Experimentalphysiker auf die Suche nach den Mesonen. Unter ihnen war auch der US-Amerikaner Carl D. Anderson, der 1932 das Positron, das positiv geladene Antiteilchen des Elektrons, entdeckt hatte. Und tatsächlich: In der kosmischen Strahlung bemerkte Anderson 1937 ein Teilchen, auf das Yukawas Beschreibung zutraf. Es wurde später Myon getauft und gehört zur Familie der Mesonen. Aber es regelt nicht die Übertragung der starken Kernkraft. Dass Protonen und Neutronen im Atomkern gleichsam zusammenkleben, ist den so genannten Pi-Mesonen oder Pionen geschuldet, die ebenfalls in der Höhenstrahlung vorkommen. Den experimentellen Nachweis dafür lieferte 1947 der britische Physiker Cecil F. Powell. Als ein Jahr später im Synchrozyklotron in Berkeley (USA) ein Pion sogar künstlich erzeugt werden konnte, schlug Yukawas große Stunde: Als erster Japaner erhielt er 1949 den Physik-Nobelpreis und genoss in seiner Heimat fortan den Status eines Nationalhelden. Hideki Yukawa wurde am 23. Januar 1907 als Hideki Ogawa in Tokio geboren. Er studierte Physik an der Universität Kyoto, gemeinsam übrigens mit Shinichiro Tomonaga, der 1969 für seine Arbeiten zur Quantenelektrodynamik als zweiter Japaner den Physik-Nobelpreis erhalten sollte. Nach Abschluss seines Studiums war Yukawa, der seit 1932 den Nachnamen seiner Ehefrau trug, für längere Zeit als Lektor und Dozent tätig. 1938 erwarb er den Doktorgrad und wurde bereits ein Jahr später an der Universität Kyoto zum ordentlichen Professor für Theoretische Physik ernannt. Während des zweiten Weltkrieges geriet Yukawa zunehmend in die wissenschaftliche Isolation. Er war deshalb froh, Ende der 40er Jahre am Institute for Advanced Study in Princeton sowie an der New Yorker Columbia Universität lehren und forschen zu dürfen. 1953 kehrte er nach Japan zurück, um in Kyoto das eigens für ihn errichtete Institut für physikalische Grundlagenforschung zu leiten, das heute seinen Namen trägt. Wie viele theoretische Physiker verfolgte auch Yukawa das ehrgeizige und bislang unerreichte Ziel, eine einheitliche Theorie der Elementarteilchen zu entwickeln. Außerdem verfasste er ein vielbeachtetes Lehrbuch zur Quantenmechanik und gab die englischsprachige Zeitschrift »Progress of Theoretical Physics« heraus. Als einziger japanischer Forscher unterzeichnete er 1955 das Russell-Einstein-Manifest, in dem die Welt nachdrücklich vor den Gefahren eines Atomkriegs gewarnt wird. Auch war Yukawa Ehrenbürger der Stadt Kyoto. Hier starb er am 8. September 1981 im Alter von 74 Jahren.