nd-aktuell.de / 10.02.2017 / Kultur / Seite 17

Im Mondschein

Wandergitarre trifft House: Festland

Thomas Blum

Wiederholt wurde, um der besinnlichen Musik des Essener Pop-Trios Festland gerecht zu werden, eine der deutschesten aller deutschen Bands, nämlich Kraftwerk, als Vergleichsgröße herangezogen: »Deutsche Kühlheit im Sinne Kraftwerks« (»Spex«) wurde der Gruppe dann etwa attestiert. Auch die »Taz« meinte, die Band klinge, als habe man »Kraftwerk die Synthesizer weggenommen«.

Und tatsächlich wird hier ja auch ein Kraftwerk-Track gecovert, das Lied »Schaufensterpuppen« aus dem Jahr 1977 (»Wir stehen hier herum / Und stellen uns aus (…) Wir sind Schaufensterpuppen«). Die Essener nutzen nicht nur die Tracks rhythmisch strukturierende »elektronische und digitale Signale«, wie sie das nennen. Gelegentlich verwenden sie auch jene elektronisch verfremdete Stimme, die man als die Roboterstimme aus den Kraftwerk-Alben der 70er Jahre kennt.

Von Techno und House abgeschaut hat man sich auch, wie Repetition und stoischer Rhythmus jeweils als hypnotische Elemente funktionieren, die den Groove der Songs bestimmen, sodass man sich mitunter auch an Can oder Neo-Kraut-Bands wie Kreidler erinnert fühlt. Nur: Ein klassisches, das Rhythmusfundament bildendes Schlagzeug gibt es hier gar nicht, auch keinen handelsüblichen elektronischen Beat. Vielmehr ist alles akustisch eingespielt, es handelt sich sozusagen um ein Unplugged-Album: Geige, Kontrabass, Gitarre, Glockenspiel, Klavier und Klanghölzer (!). Und trotzdem hört sich das alles wunderbar rechtwinklig an.

Das neue Werk von Festland, ihr drittes, das den Titel »(Wenn) Doch die Winde weh’n« trägt, ist einem vor fünf Jahren verstorbenen Bandmitglied gewidmet, dem Maler und Dichter Fabian Weinecke, der auch die Liedtexte verfasste. In denen werden nicht selten, wie man es ebenso von Kraftwerk gewohnt ist, Artefakte und Symbole der technischen Moderne besungen, etwa Leuchttürme, Unterseeboote oder der Fernsehturm: »Fernsehturm, du stehst allein / Auf Raketenfüßen schwer wie Blei.«

Aber auch das Erbe der deutschen Romantik kommt nicht zu kurz, zumindest werden eifrig deren einschlägige Motive und Bilder herbeizitiert: Mondschein, Wälder, Seen, die Nacht, die Stille, der Traum, die abenteuerliche Reise, das eiskalte Händchen, das kalte und das gebrochene Herz. Sogar Joseph von Eichendorffs Gedicht »In einem kühlen Grunde« findet sich als Songtext wieder. Andererseits: »›Geld ist nicht unser Gott / Und die Natur nicht unser Freund‹, / Sagst du heut’ nacht zu mir / Und hältst mich fest bis zum Morgengrau’n.« Erschienen ist dieses schöne Kammerpop-Album zwar bereits im vergangenen Herbst auf Alfred Hilsbergs ZickZack-Label, dennoch sei hier etwas verspätet darauf hingewiesen. Schließlich gibt das Ensemble Festland morgen eines seiner seltenen Konzerte in Berlin.

Festland: »(Wenn) Doch die Winde weh’n« (ZickZack/Indigo)

Konzert: Villa Neukölln, Berlin-Neukölln, 11.2., 21 Uhr.