Sieben Tage, sieben Nächte

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.

Es gibt Wochen, die möchte man am liebsten im Bett verbringen. Die vergangene hätte beinahe dazu gehört, weil weder Wetter noch Weltlage wieder einmal dazu angetan waren, die Tage optimistisch, dynamisch oder gar fröhlich über die Runden zu bringen. Das Dauerfrösteln am Morgen will im Büro nicht enden, weil der neue Vorturner hinterm Großen Teich schon wieder eine Bösartigkeit verzapft hat, Waffenstillstände gebrochen und Menschen getötet wurden oder kleine Hoffnungslichter über Nacht erloschen sind. Das alles führt mit schöner Regelmäßigkeit zu Ängsten, Irritationen und Streit. Das ist in Familien und Redaktionen nicht anders als in der Politik.

Aber die weiß sich zu helfen. Und sollte entmutigten Normalsterblichen als Vorbild dienen. Von wegen die Welt geht unter. Auferstehung ist in Wahljahren lange vor Ostern angesagt. Nehmen wir nur die SPD. Eitel Sonnenschein herrscht da in Ortsvereinen und Parteizentralen, die jetzt an jedem einzelnen Tag die plötzliche Wiederbelebung der schon totgeglaubten Partei feiern. Martin Schulz kam und sagte, er will Kanzler werden - und schon ist der Mangel an Aufnahmeanträgen zu beklagen. Richtungsstreit? Die Genossen, die neulich noch wie die Kesselflicker über die Sünden der Vergangenheit und die Fehler der Gegenwart zankten, können vor Kraft kaum laufen.

Auch in der Union wurde die Befriedung einer langen, heftigen Auseinandersetzung in dieser Woche zelebriert. Wer am Montag die heißen Liebesschwüre von Angela Merkel und Horst Seehofer vernahm, vergaß für einen kurzen Moment Eiseskälte, Donald Trump und den grantelnden Kollegen am Nachbarschreibtisch. Selbst das Wissen um die überschaubare Haltbarkeit des wie ein Fest gefeierten Friedens bis höchstens Ende September konnte vermutlich die Erleichterung in den beiden beteiligten Parteien über eine zeitweilige Konfliktbeilegung nicht trüben. In traurigen Zeiten löst selbst gespielte Heiterkeit den Kloß im Hals.

Dass anstelle des anderthalb Jahre währenden Streits der christlichen Schwesterparteien um Flüchtlingspolitik und Obergrenzen inzwischen ein handfestes Gemetzel zwischen SPD-Umweltministerium und CSU-Landwirtschaftsressort wegen einer sogenannten Bauernregel-Kampagne entbrannt ist, kann eher als Fußnote für die letzten sieben Tage vermerkt werden. Zwar soll die Plakataktion 1,6 Millionen Euro Steuergeld kosten und die dafür gefertigten Reime lassen durchaus jene Abgründe ahnen, in die der erwartete heftigste Wahlkampf aller Zeiten führen kann - aber zumindest ist im eher unwahrscheinlichen Schlichtungsfall keine öffentliche Umarmung zwischen Barbara Hendricks und Christian Schmidt etwa im Schweinestall zu erwarten. Und das ist doch irgendwie auch eine durchaus ermutigende Botschaft.

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