nd-aktuell.de / 20.02.2017 / Wissen / Seite 20

Meereis in der Antarktis auf Rekordtief

Hälfte des Weddell-Meeres nicht mit Eis bedeckt

Barbara Barkhausen, Sydney

Traditionell sollte das Eis in der Antarktis noch weitere sieben bis zehn Tage schmelzen, bevor sich der antarktische Sommer dem Ende entgegen neigt und die kalten Herbststürme das Meerwasser wieder gefrieren lassen. Doch die üblichen Maßstäbe scheinen derzeit nicht zu greifen, sagt Jan Lieser. Der deutsche Meteorologe arbeitet am Antarctic Climate and Ecosystems Cooperative Research Centre im australischen Hobart. Laut des Meereisexperten war bereits der antarktische Winter um vier Wochen verkürzt.

Schon jetzt sind die Meereisdaten auf einem Rekordtief angelangt. Satellitendaten zeigen, dass in diesen Tagen nur 2,287 Millionen Quadratkilometer mit Eis bedeckt waren. Das letzte vergleichbare Tief mit 2,289 Millionen Quadratkilometern war im Februar 1997 gemessen worden, 18 Jahre nach Aufzeichnungsbeginn. »1997 war das letzte anormale Jahr«, so Lieser. Seiner Meinung nach spielt der Klimawandel beim Rekordtief mit Sicherheit eine Rolle, auch wenn »mehrere Gründe mit im Spiel sind wie eine verstärkte Westwinddrift«. Dass die Antarktis taut, hat er vor wenigen Wochen am eigenen Leib erlebt. Auf einer Forschungsreise konnte der Eisbrecher der australischen Antarktisforscher mit »zehn Knoten durch das Meereis fahren« - so brüchig sei es gewesen, so Lieser.

Er befürchtet, dass sich das Meereis in den nächsten Jahren weiter verringern wird. Damit folgt die Entwicklung in der Antarktis der, die Forscher seit Jahren in der Arktis verzeichnen. »Typischerweise lag das Hauptinteresse in der Arktis«, betonte Walt Meier, ein NASA-Wissenschaftler Ende des vergangenen Jahres, als sich der Trend zur Meereisschmelze bereits andeutete. Die Antarktis schreibe »das Drehbuch neu«, sagt er. »Jetzt ist es das Eis im Südpolarmeer, das uns überrascht.« Denn trotz Meldungen von kollabierenden Eisschelfen schien die Antarktis die Erderwärmung über Jahre hinweg besser verkraften zu können als ihr nördliches Pendant.

Das schrumpfende Meereis könnte auch ein Problem für die noch intakten Eisschelfe in der Region darstellen. Die Eisschelfe Larsen A und B sind bereits 1995 und 2002 auseinandergebrochen, Larsen C ist noch intakt. Höhere Lufttemperaturen haben das Schelf jedoch bereits von oben schrumpfen lassen, während wärmere Meeresströmungen das Ihrige von unten taten. Die deutlich geringere Masse an Meereis in diesem Jahr könnte den drohenden Kollaps des Schelfs nochmals beschleunigen. Denn: »Weniger Meereis bedeutet auch weniger Schutz«, sagte Lieser. »Damit fehlt der Puffereffekt und ohne Puffer sind die Schelfeiskanten mehr Wind und Wellen ausgesetzt.«