nd-aktuell.de / 22.02.2017 / Politik / Seite 5

Unternehmer gegen Schulz

Verbände werfen SPD-Mann Unkenntnis vor

Jörg Meyer

Die Reformpläne von Kanzlerkandidat Martin Schulz stoßen bei Unternehmern auf Kritik. Nachdem er am Montag bei der SPD-Arbeitnehmerkonferenz Korrekturen der Agenda 2010 angekündigt hatte, warf ihm die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vor, »viele Vorschläge sind ohne Kenntnis der Zahlen oder der Rechtslage in Deutschland formuliert«.

Schulz hatte gefordert, Mitbestimmungregeln müssten auch für Unternehmen in ausländischer Rechtsform gelten. Auch solle der Kündigungsschutz für Wahlvorstände, also Beschäftigte, die Betriebsratswahlen organisieren, verbessert werden. Überdies könne die hohe Zahl der befristeten Arbeitsverträge bei 25- bis 35-Jährigen »nicht unser Angebot an die Jugend sein«, zitierte »Bild«.

Die BDA sagte dazu, es bestehe ausreichender Kündigungsschutz für Wahlvorstände, und die Mitbestimmung gelte für alle in Deutschland tätigen Unternehmen. Und letztlich habe Schulz seine Forderung nach einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung mit falschen Zahlen unterfüttert.

Was ist dran an der BDA-Kritik? In deutschen Aktiengesellschaften (AG) oder GmbH gilt bei einer Unternehmensgröße bis 500 Beschäftigte die Drittelbeteiligung; es muss ein Aufsichtsrat gebildet werden, der zu einem Drittel ausBeschäftigtenvertretern besteht. Bei Unternehmen ab 2000 Beschäftigten greift das Mitbestimmungsgesetz: Der Aufsichtsrat muss zu gleichen Teilen aus Belegschaft und Unternehmen besetzt sein. Bei der »Societas Europaea« (SE), der internationalen Unternehmensform wird die Mitbestimmung bei Unternehmensgründung zwischen den Beteiligten ausgehandelt. Wenn eine Drittelbeteiligung festgelegt wurde, bleibt die auch bestehen, wenn das Unternehmen auf über 2000 Beschäftigte anwächst; wenn keine Mitbestimmung ausgehandelt wurde, gibt es auch keine. Nicht nur den Gewerkschaften ist die SE ein Dorn im Auge. In einer Entschließung des Bundesrates zum Thema hieß es jüngst: »Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher dazu auf, Lücken im deutschen Mitbestimmungsrecht zu schließen und gleichzeitig auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass entsprechende Schlupflöcher geschlossen und keine neuen Umgehungstatbestände geschaffen werden.«

Auch was den Kündigungsschutz angeht, greift die BDA ein wenig daneben. Die Gründung eines Betriebsrates ist für Beschäftigte oft gefährlich. Zu oft war in Berichten zu lesen, dass Menschen wegen ihres Engagements zur Betriebsratswahl gefeuert wurden. Für sie gilt ein besonderer Kündigungsschutz von sechs Monaten, der aber erlischt, wenn sie aus dem Wahlvorstand ausscheiden. Eine Gleichstellung mit Betriebsratsmitgliedern wäre hier eine Verbesserung. Kommentar Seite 4