nd-aktuell.de / 28.02.2017 / Politik / Seite 4

Der Abwesende

Personalie

Tobias Riegel

Iranische Regisseure mit kritischen Botschaften werden oft in ein befremdliches Wechselbad gezwungen: zwischen Zensur und Verfolgung in ihrer Heimat und einer euphorischen (teils eher politisch als künstlerisch motivierten) Verehrung im westlichen Ausland. Jener westliche Blick lässt dabei manchmal die Unterschiede verwischen, doch es gibt sie. So wurde 2011 Jafar Panahi durch ein Ausreiseverbot die Teilnahme an der Berlinale-Jury verwehrt, was zur aufsehenerregenden Symbolik des »leeren Stuhls« führte. Nun blieb wieder ein Stuhl leer: bei den Oscarverleihungen in Los Angeles. Doch diesmal wurde der iranische Regisseur Asghar Farhadi nicht vom Mullah-Regime behindert, sondern der Gewinner des »Auslandsoscars« für »The Salesman« boykottierte die Gala aus freiem Willen und aus Protest gegen US-Präsident Donald Trump.

Angesichts von Trumps aggressiver anti-iranischer Rhetorik kann man sogar davon ausgehen, dass Farhadi mit Unterstützung der iranischen Behörden handelte, oder zumindest mit deren stiller Zustimmung. Das wäre eine der zahlreichen neuen und merkwürdigen Koalitionen, in denen Trump durch seinen Extremismus ehemalige Erzfeinde zusammenbringt. Denn Farhadi war in seiner Heimat zwar nie in dem Maße der offizielle Gegner wie sein Kollege Panahi, und durfte etwa 2011 (als Panahi nicht Teil der Jury sein durfte) zur Berlinale reisen, wo er den Goldenen Bären mit »Nader und Simin« gewann, der auch den Oscar erhielt. Doch als Intellektueller befindet sich der 45-Jährige, der in den 90er Jahren in Teheran Film studierte, fast naturgemäß in einer kritischen Haltung gegenüber autoritären Strukturen.

Seine ersten Sporen verdiente sich der Drehbuchautor und Regisseur bei Radio und Fernsehen, bevor er 2004 mit »Schahr-e ziba« (Die schöne Stadt) die ersten Preise auf internationalen Festivals gewann. Bei der Berlinale ist er ein häufiger und gern gesehener Gast und 2012 wurde er dort in die Jury des Wettbewerbs berufen. Seine letzten Filme »Nader und Simin«, »Le passé« und »The Salesman« erfuhren großes internationales Echo.