Vorsicht, Problemhamster!

Biogemüse-Produzent will in Sangerhausen kräftig investieren - und kommt nicht zum Zug

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Hamster sitzen in einem kleinen Auto, einer hat mit seinen Pfötchen das Lenkrad im Griff: Weiter als bis zu diesem putzigen Bild, das in Sangerhausen an vielen Ladentüren prangt, kamen Einkaufswillige am Dienstag nicht. Rund 60 Einzelhändler hielten ihre Geschäfte eine Stunde lang geschlossen - wegen der Feldhamster. Die Präsenz der streng geschützten, vom Aussterben bedrohten Tiere auf einem Baugebiet behindert die Ansiedlung des Biogemüse-Produzenten »Charlottes Garden«. Von ihm werden aber in der 31 000 Einwohner zählenden Stadt mehrere hundert Arbeitsplätze erwartet - sehr wichtig für die strukturschwache Region in Süden von Sachsen-Anhalt.

»Hamstertreiben statt Handel treiben?« haben die Kaufleute ihr Nager-Bild an den Türen betextet: Sie warnen vor einer »trostlosen Innenstadt«. Dies sei zu befürchten, falls die Investorengruppe »Charlottes Garden« ihre Gewächshäuser nicht in Sangerhausen bauen dürfe. Doch auf dieses Projekt hofft man in der Stadt, wo man derzeit gerade mit großer Sorge auf die drohenden Arbeitsplatzverluste beim Fahrradhersteller Mifa blickt. Der traditionsreiche Betrieb hatte im Januar Insolvenz angemeldet.

Angesichts dessen erscheint »Charlottes Garden« vielen Menschen in Sangerhausen als Lichtblick. Das Unternehmen werde einen dreifachen Millionenbetrag investieren, heißt es. Mehrere verglaste Gewächshäuser für Biogemüse sollen auf einem 50 Hektar umfassenden Areal entstehen. Damit wären die Gemüseproduzenten die ersten Investoren auf dem »Industriepark Mitteldeutschland«, einem rund 160 Hektar umfassenden Gelände, das im Südwesten der Stadt auf Ansiedlungswillige wartet.

Bei »Charlottes Garden« hält man das Terrain für ideal zum Gemüseanbau. Hausten dort nicht die Feldhamster. Ihr vertrauter Lebensraum wäre durch den Zuzug des Unternehmens dahin, sagen Naturschützer. Um beiden Seiten gerecht zu werden, bieten sich zwei Alternativen an: Die Tiere fachgerecht in einen neues Domizil bringen - oder aber der Investorengruppe ein anderes Gelände in der Nähe anbieten.

Bei der schwarz-rot-grünen Landesregierung in Magdeburg war man anfangs geteilter Meinung. Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) wollte das Firmenprojekt »umsiedeln«, Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) die gefährdeten Wühler. Nun aber hieß es: Hamsteralarm für Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)!

Sachsen-Anhalts Regierungschef höchstpersönlich, auch von der Kommunalpolitk um Mithilfe gebeten, nahm sich der Sache an, initiierte ein Treffen der am Hamster-Konflikt Beteiligten. Eine Annäherung der Standpunkte habe es dabei gegeben, war zu hören, aber noch keine endgültige Lösung. Also: noch ein Gespräch. Ende Februar hatte es stattfinden sollen, der Termin wurde jedoch mittlerweile vertagt auf den 17. März.

Das ärgert die Kaufleute, die jetzt ihre Türe verschlossen hatten, und auch die Bürgerinitiative Sangerhausen, zumal eine weitere Verzögerung des Vorhabens bekannt wurde. Zurückzuführen ist sie auf zwei amtlichen Anordnungen. Zwar kommen beide aus ein und derselben Behörde, der Kreisverwaltung, sind aber im Endeffekt gegenläufig.

Die Bauabteilung des Kreises befand: Ehe das Unternehmen eine Genehmigung zum Errichten der Gewächshäuser bekommt, muss deren Standfestigkeit sichergestellt sein. Dafür sind im Baugebiet Bohrungen nötig. Die aber seien derzeit verboten, mahnt die Umweltabteilung des Landkreises, denn: Die Feldhamster halten Winterschlaf - und dieser dürfe nicht gestört werden.

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