Zu viele Ungereimtheiten

Namibias Weltklassesprinter Frankie Fredericks steht unter Korruptionsverdacht und tritt von einem IOC-Amt zurück

Er galt bisher als eine der beliebtesten Persönlichkeiten im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), nun muss Frankie Fredericks nicht nur um seinen Ruf fürchten. Am Dienstag trat Fredericks als Vorsitzender der Evaluierungskommission für die Olympischen Spiele 2024 zurück, nachdem sein Name in einem Bericht der französischen Tageszeitung »Le Monde« über die möglicherweise gekaufte Olympiavergabe an Rio 2016 aufgetaucht war.

In einer persönlichen Erklärung bestreitet der 49-Jährige »kategorisch jegliche direkte oder indirekte Beteiligung an unrechtmäßigen Vorgängen«. Dennoch gebe er sein Amt als Vorsitzender der Evaluierungskommission ab - »im besten Interesse des Bewerbungsverfahrens«.

»Le Monde« will herausgefunden haben, dass der Namibier in den Unterlagen amerikanischer Steuerfahnder auftaucht, die diese an französische Fahnder im Rahmen der Ermittlungen gegen den Senegalesen Lamine Diack übermittelt haben. Gegen den einstigen Präsidenten der in Monaco ansässigen Weltleichtathletikföderation IAAF ermitteln die französischen Behörden wegen Korruption und Geldwäsche. Der 80-Jährige darf Frankreich nicht verlassen und ist nur auf Kaution in Freiheit. Aus dem IOC ist er zurückgetreten.

Drei Tage vor der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2016 in Kopenhagen im Herbst 2009, bei der sich die brasilianische Metropole gegen Madrid, Tokio und Chicago durchsetzte, sind laut »Le Monde« zwei Millionen Dollar an Diacks Sohn Papa Massata Diack geflossen - vom Konto eines einflussreichen brasilianischen Bauunternehmers, der im Zuge der Olympiaerschließung später gewaltige Gewinne einstreichen sollte.

Genau am 2. Oktober 2009 nun soll jener Papa Massata Diack 299 300 Dollar auf das Konto einer auf den Seychellen ansässigen Firma überwiesen haben. Diese Firma gehört Frankie Fredericks, der übrigens am selben Tag in Kopenhagen weilte und über den Olympiaausrichter 2016 abstimmte. Der frühere Weltklassesprinter über 100 und 200 Meter, der 1992 und 1996 insgesamt vier olympische Silbermedaillen gewann, war Wahlprüfer bei der IOC-Session in Kopenhagen. Papa Massata Diack wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Er soll sich in Senegal aufhalten.

Fredericks begründet die Zahlung mit ausstehenden Gagen aus einem Vertrag von 2007, im Zuge dessen er für die IAAF und dessen afrikanischen Kontinentalverband bei Sportfesten und anderen Events Werbung gemacht habe. Die zeitliche Übereinstimmung der Diack-Zahlung mit der Olympiaabstimmung in Kopenhagen sei Zufall: Er habe die Zahlungen zuvor mehrfach angemahnt. Dass er eine Offshore-Firma gegründet habe, begründet Fredericks gegenüber »Le Monde« mit der leichteren Abwicklung von internationalen Überweisungen. Von Namibia aus Geld in internationalen Währungen zu überweisen, wäre mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden gewesen.

Für die Glaubwürdigkeit des IOC, das unter seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach einen Wandel zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit propagiert, ist der neue Verdacht gegen eines seiner Mitglieder ein schwerer Rückschlag. Beim IOC verweist man darauf, dass Fredericks sich umgehend gemeldet habe, nachdem »Le Monde« den Namibier zu den Vorgängen von 2009 befragt hatte.

Das IOC wolle die Angelegenheit vollumfänglich aufgeklärt wissen, versicherte dessen Sprecher Mark Adams: »Das IOC wird mit der französischen Justiz erneut Kontakt aufnehmen, um Informationen zu erhalten, auf denen ein Artikel von Le Monde basiert«, sagte Adams bereits am vergangenen Freitag nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungen gegen Fredericks. Zudem habe Fredericks, der von 2008 bis 2012 als Athletensprecher des IOC fungierte, selbst die Ethikkommission des Internationalen Olympischen Komitees gebeten, die Vorwürfe gegen ihn zu untersuchen.

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