nd-aktuell.de / 09.03.2017 / Berlin / Seite 11

»apabiz« weiter bedroht

Hauseigentümer stellt harte Forderungen / Vorkaufsrecht soll Spekulation bremsen

Nicolas Šustr

Beim Wohn- und Gewerbeobjekt Lausitzer Straße 10/11 in Kreuzberg stehen die Zeichen auf Eskalation. Noch-Eigentümer Taekker will den Gebäudekomplex verkaufen – für 20 Millionen Euro (»nd« berichtete). Neben normalen Wohnungsmietern nutzen auch linke Institutionen wie das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum »apabiz« Räume. Nach heftigem Protest erklärte sich das dänische Immobilienunternehmen zu Verhandlungen bereit.

Am Dienstag hat Taekker nun die Bedingungen für die Verhandlungen präsentiert. Danach ist der hohe Verkaufspreis von 20 Millionen Euro gesetzt. »Das ist für uns nicht möglich, weil wir die sich daraus ergebenden Mieten nicht bezahlen können«, sagt Julia Oelkers. Sie arbeitet in der linken Videowerkstatt Autofocus, die dort ebenfalls Räume mietet.

Die Taekker fordert mehr, wie ein weiterer Beteiligter berichtet, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Noch-Eigentümer will sich das Recht vorbehalten, die marode Heizung zu sanieren und die anfallenden Kosten auf die Mieten umzulegen. Öffentlichkeitsarbeit gegen Taekker sei zu unterlassen und auch Transparente an der Fassade seien abzunehmen. Ein Kündigungsmoratorium wird vom dänischen Konzern abgelehnt. Im Gegenzug wird angeboten, für ein Jahr die laufenden Mietverträge zu gleichen Konditionen weiterzuführen.

Einen Sinn für das richtige Timing muss man Taekker wohl zugestehen: Es ist Dienstagabend, der Bildungsverein »Helle Panke« der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet eine Podiumsdiskussion. Wie bei einem Konzert drängen sich die Besucher, an die 400 füllen den Saal des »SO 36«. Es geht um das bezirkliche Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten.

Ein Bewohner des Neuköllner Miethauses Friedelstraße 54, er stellt sich als Klaus Strohwig vor, berichtet über seine Erfahrungen. Neben vielen anderen Aktivitäten bemühten sich die Mieter auch darum, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausübt, sagt er. »Aber der damalige SPD-Bezirksstadtrat Thomas Blesing mochte uns nicht und so wollte er nicht.«

Besser lief es in der Friedrichshainer Seumestraße 14. Durch Zufall erfuhren die Bewohner im Februar 2016 vom geplanten Verkauf. Im Oktober wurde der Erbpachtvertrag unterschrieben. »Es war ein wilder Ritt«, erinnert sich Mieterin Judith Groth. Letztlich kamen die Bewohner beim »Mietshäuser Syndikat« unter.

Tatsächlich ausgeübt wurde das bezirkliche Vorkaufsrecht in der Kreuzberger Wrangelstraße 66. »Unser Anwalt hat dem Bezirk sehr stark zugearbeitet«, berichtet Bewohnerin Pamela Schobeß. Zehn Tage vor Fristende habe die landeseigene Gewobag noch einen Rückzieher gemacht.

Rund vier Millionen Euro hat der Hauskauf letztlich gekostet, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). »Der Vorkauf ist nicht billig, aber billiger als der Wohnungsneubau für verdrängte Mieter«, sagt Schmidt. Es müsse eine Förderung dafür geben, damit die Mieten erträglich bleiben. »Wir haben inzwischen im Bezirk eine Methodik entwickelt, wie wir recht effizient mit der knappen Zwei-Monats-Frist für das Vorkaufsrecht umgehen.« Er habe »die große Hoffnung, die Vorkaufsquoten zu erhöhen«. »Man braucht mitwirkungsbereite Bezirke beim Vorkaufsrecht«, sagte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE). Ihr Haus arbeite zusammen mit der Finanzverwaltung an einem Leitfaden für das bezirkliche Vorkaufsrecht.

In Friedrichshain-Kreuzberg ist man auf der Suche nach dauerhaften Partnern, die die finanziellen Möglichkeiten haben, das Vorkaufsrecht für den Bezirk umzusetzen. Der Vorkauf streue »Sand ins Getriebe« der Spekulation, ist Schmidt überzeugt. Aber natürlich müssen auch Bundesgesetze verschärft werden. Dass Umwandlungen in Eigentum in Milieuschutzgebieten vom Bezirk genehmigt werden müssen, wenn Mieter ein Vorkaufsrecht erhalten, nennt der Stadtrat »eine richtig beschissene Lücke« im Baugesetzbuch. »Der Bundesrat ist in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht unser Freund«, sagt Katrin Lompscher. Gerade sei eine entsprechende Initiative am Widerstand der anderen Bundesländern gescheitert.