nd-aktuell.de / 10.03.2017 / Kultur / Seite 13

Soundtrack zum Brexit

Die Mods sind sauer

Sebastian Bähr

Die Halsschlagader von Jason Williamson ist angeschwollen. Mit einem brachialen Hass-Stakkado rotzt der Sänger der Sleaford Mods seine Worte dem Kapitalismus im Allgemeinen und dem Brexit-Britannien unter Theresa May im Besonderen mit voller Wucht ins Gesicht. Die Entfremdung zwischen angeblicher Alternativlosigkeit und Austeritätsnationalismus, zwischen stumpfer Alltagstristesse und auf hip machender Perspektivlosigkeit, bekommt im Album »English Tapas« seinen Soundtrack.

Die minimalistischen, den Schädel zerstampfenden Beats und hämmernden Basslines von Andrew Fearn, stets in Jogginghose und mit Baseballkappe, untermalen die wütende »Fuck off«-Stimmung, die an die düsteren wie selbstbewussten Hochzeiten des Punks erinnert. Manchmal gibt es ein Augenzwinkern, ansonsten Kompromisslosigkeit. Dabei hat es Williamson wirklich seriös versucht. Kurzzeitig trat er der Labour-Partei bei, um Corbyn zu unterstützen. Aufgrund eines beleidigenden Tweets wurde er 2016 jedoch wieder rausgeschmissen.

Nicht nur die von Furchen durchzogenen Kneipenschlägergesichter oder der breite East-Midland-Dialekt der Mods zeigen dabei auf, aus welchem Milieu sie stammen. Wie Soziologen seziert das Pöbel-Duo aus Nottingham die Verwerfungen des modernen Metropolenlebens. Die biergetränkten Tourette-Tiraden von Williamson können in einem Zug mit Filmen wie »La Haine« oder Büchern wie »Der kommende Aufstand« genannt werden.

Der Name des neuen Albums entstammt jedoch ganz banal einem Pubbesuch. Fearn bekam auf einem Schild dort »English Tapas« angepriesen. Diese beinhalteten ein mit Wurstbrät ummanteltes gekochtes Ei, dazu Pommes und sauer eingelegte Zwiebel. »Dieses Gericht sagt alles über den derzeitigen Zustand Englands aus. Es macht nur Unsinn, ist ignorant, billig, kriegt die Dinge nicht geregelt«, sagte Williamson gegenüber Journalisten.

Die schnoddrige Sozialkritik zeigt sich diesmal vor allem in dem Track »BHS«. Mit diesem wird auf den Milliardär und ehemaligen Besitzer der Kaufhauskette British Home Stores, Philip Green, angespielt. Dieser verscherbelte das Unternehmen für einen Pfund. 11 000 Menschen verloren ihre Jobs. Green erhielt eine millionenschwere Dividende.

In den Tracks »Time Sands« und »I Feel So Wrong« versucht sich Williamson dagegen erstmals an so etwas wie Gesang. Die manchmal empfundene Monotonie des Wutgebrülls angenehm unterbrechend, zeigt es auf, was in Zukunft noch möglich wäre. Mehr als ein zurückhaltendes Grillenzirpen oder vereinzelte Synthie-Klänge wie im aggressiven »Cuddly« werden jedoch niemals den nackten Beats hinzugefügt. Popkulturellen Kitsch gibt es zur Genüge. Es gilt sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.

Sleaford Mods: »English Tapas« (Rough Trade)