nd-aktuell.de / 25.03.2017 / Politik / Seite 16

Ist der Ruf erst ruiniert ...

Geld spielt im Kampf um ein besseres Image des Thüringer Tourismus nur eine Nebenrolle

Sebastian Haak, Erfurt

Selbstverständlich gibt es auch in Thüringen und gerade auch im Thüringer Wald liebevoll gepflegte und geführte Pensionen und Restaurants. Orte, für die sich Menschen seit Jahrzehnten aufopfern. Weil sie vom Geschäft mit dem Gast ihren Lebensunterhalt bestreiten. Weil sie es einfach als ihre Berufung empfinden, ihren Gästen eine paar schöne Stunden und Tage zu bereiten. Das sind Pensionen und Restaurants, in denen die Zimmer sauber und geschmackvoll eingerichtet sind; der Kuchen lecker, das Bier gut gekühlt sind. Und die Thüringer Rostbratwurst wirklich vom Holzkohlegrill kommt. Das sind touristische Unternehmen also, in denen die Inhaber und ihre Mitarbeiter die Gäste freundlich behandeln und jeden ihrer Wünschen - so das menschenmöglich ist - erfüllen.

Viel zu viele dieser und ähnlicher Unternehmen im Land - Hotels, Ferienzimmervermieter, Gaststätten, Kneipen - bieten noch immer einen Standard, der in den frühen 1990er Jahren modern war. Und ihre Inhaber und Mitarbeiten denken noch immer so, wie die Touristiker in den Bezirken Suhl, Erfurt und Gera vor dem Fall der Mauer gedacht haben: Die Touristen werden schon kommen.

Weshalb die Übernachtungszahlen vor allem im Thüringer Wald seit Längerem rückläufig sind. Wodurch eine Abwärtsspirale in Gang gekommen ist: Weil das Image - nicht wirklich fernab der Zustände in vielen Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Restaurants, Gaststätten und Kneipen - des Thüringer Tourismus schlecht ist, kommen immer weniger Menschen in viele Regionen des Freistaats, um hier Urlaub zu machen. Das führt dazu, dass die Umsätze der dort Tourismusschaffenden zurückgehen, die dann gezwungen sind, noch mehr zu sparen, worunter die Qualität ihres Angebots leidet. Was wiederum dazu führt, dass noch mehr Menschen höchstens einmal Urlaub im Freistaat machen. Und was das Image Thüringens als Reiseziel weiter beschädigt.

Um diese Situation im Thüringer Tourismus muss man wissen, um zu verstehen, warum Vertreter des Landes derzeit - gefühlt im Wochentakt - so viele touristische Initiativen ergreifen und Projekte auf den Weg bringen, wie sie das seit Monaten schon tun. Dass es nun eine mögliche Zukunft für das Rennsteig-Shuttle gibt, dass der Freistaat mehrere Millionen Euro geben will, um das Badehaus Masserberg zu retten, all das hat, damit zu tun, dass die politisch Verantwortlichen in Erfurt endlich Erfolge vorweisen wollen bei ihrem Versuch, wegzukommen vom schlechten Image des Thüringer Tourismus. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Georg Maier, sagt: »Wir brauchen endlich positive Geschichten vom Thüringer Tourismus; Botschaften, die sich auch verbreiten.«

Bezeichnenderweise spielt dafür derzeit Geld nicht mehr die sonst so einschränkende, zentrale Rolle. Zwar will sich neben Maier auch der Staatssekretär des Infrastrukturministeriums, Klaus Sühl, derzeit noch nicht abschließend darauf festlegen lassen, dass das Rennsteig-Shuttle auch wirklich wieder vom Land bestellt wird. Beide halten es für zwingend nötig, für dessen Dauerbetrieb einen Zweckverband zu gründen - und wollen die Bestellung nicht verkünden, ehe die Gründung dieser Organisation nicht wirklich auch besiegelt ist. Beim seit Januar 2016 geschlossenen Badehaus Masserberg spricht Maier zudem derzeit »nur« davon, dass eine Lösung »in greifbare Nähe gerückt« sei.

Doch macht vor allem Maier auch immer wieder klar, dass sich das Land weder beim Rennsteig-Shuttle noch beim Badehaus Masserberg ein Scheitern leisten kann und deshalb bereit ist, Millionen um Millionen Euro an Fördergeld in die Hand zu nehmen, um beide Projekte zu sichern. Geld spielt im Kampf um ein besseres Image des Thüringer Tourismus derzeit nur eine Nebenrolle.

Für die Sanierung der kompletten Strecke des Rennsteig-Shuttles bis hinunter nach Themar rechnet Maier mit Kosten von sechs bis acht Millionen Euro. Für die Sanierung des Badehauses schätzt er die Gesamtkosten auf bis zu zehn Millionen Euro.

Geld, das er wie viele andere im Land ausgeben will. Eben nicht nur, weil ihm die Urlauber am Herzen liegen, die beim Erhalt des Rennsteig-Shuttles mit einem Zug von Erfurt aus auf den berühmten Kammweg des Thüringer Waldes werden fahren können. Eben nicht nur, weil er möchte, dass Menschen im besten Alter im Badehaus und der benachbarten Rehabilitationsklinik etwas für ihre Gesundheit tun.

Sondern gerade auch, weil von einer erfolgreichen Fortführung des Rennsteig-Shuttles und der Rettung des Kurstandortes Masserberg das Signal ausginge, dass sich etwas Positives tut im Thüringer Tourismus; dass die Zukunft des Tourismus im Land nicht Sofas und Betten aus den 1990er Jahren, tiefgekühlter Kuchen und eine schlecht zusammengestellte Inneneinrichtung im Raum für das Frühstücksbuffet sind.

Und immer wieder betonen Vertreter des Wirtschaftsministeriums dabei, dass es solches Fördergeld nicht nur für diese beiden Großprojekte gibt. Beziehungsweise: Geben könnte. Sondern auch für so viele kleine und große Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Restaurants, Gaststätten und Kneipen, die einen immer drängender werdenden Sanierungsstau vor sich her schieben. Wenn die Inhaber und Betreiber dieser Unternehmen das Geld doch nur endlich abrufen würden, das auch für sie zur Verfügung steht.

Große Hoffnungen setzen Maier und Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee dabei in sogenannte Impulsberatungen, die die Thüringer Tourismus Gesellschaft bei den Chefs der Hotels und gastronomischen Unternehmen leisten sollen: Mehr als 1000 derartige Gespräche solle es in den kommenden Monaten im Freistaat noch geben, sagen die beiden SPD-Politiker. Gespräche, bei denen jedem einzelnen besuchten Tourismusschaffenden aufgezeigt werden solle, was er an seinem Unternehmen noch besser machen kann, um mehr Gäste anzulocken. Um seinen Beitrag dazu zu leisten, dass das Image Thüringens als Reiseziel wieder besser wird.

Dass dieser von oben geförderte Imagewandel durchaus das Potenzial hat, auch die Menschen mitzureißen, die letztlich die Gäste in Thüringen bewirten und beherbergen müssen, das immerhin zeigen die Reaktionen auf die jüngsten Ankündigungen des Landes, das Badehaus Masserberg zu retten. Egal, ob sie der Opposition, der rot-rot-grünen Regierungskoalition oder überhaupt keiner politischen Partei zugeneigt sind. In Masserberg betonen gerade ziemlich viele Menschen, dass es bei der Zukunft des Badehauses nicht nur um ein Gebäude geht, in dem Menschen ins Wasser eintauchen können. Wie es der Geschäftsführer eines Cafés in Masserberg formuliert: »Wir brauchen dringend einen Schub für den Tourismus.« Was meint: Vor allem einen Imagewandel.

Den allerdings werden die leben müssen, die die touristischen Einrichtungen betreiben. Auch die, die heute noch immer glauben, schwarzer Tee ließe sich einem Gast auch mit 60 Grad warmen Wasser servieren.