nd-aktuell.de / 18.04.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Mega-Vermieter in der Kritik

Große Immobilienkonzerne haben an Marktmacht gewonnen, doch sie sind nicht die einzigen Preistreiber

Alexander Sturm und Uta Knapp

Sie verwalten Hunderttausende Wohnungen: In den vergangenen Jahren haben Konzerne wie Vonovia, LEG Immobilien und Deutsche Wohnen einen rasanten Aufschwung erlebt. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia besitzt 340 000 Wohnungen und ist rund 15,7 Milliarden Euro wert. Wie andere ist er mit Privatisierungen von Arbeiterwohnungen gewachsen. Erhöht Vonovia die Mieten, freut das Investoren, trifft aber Hunderttausende Mieter.

Die Marktmacht sorgt für Kritik. So warf der Berliner Mieterverein der Deutschen Wohnen eine »expansive Mieterhöhungsstrategie« in Berlin vor. Man erhebe Mieten über den ortsüblichen Vergleichswerten. Lässt sich belegen, dass Konzerne Gewinne auf dem Mieterrücken maximieren? Tatsächlich ist die Macht geringer als angenommen. So gibt es nach Daten von 2011 gut 23,5 Millionen Mietwohnungen. »Davon entfallen nur rund 15 Prozent auf private Wohnungsunternehmen«, sagt Günther Vornholz, Immobilienökonom an der EBZ Business School Bochum. Der Rest befinde sich in der Hand von Genossenschaften, öffentlichen Wohnungsunternehmen oder Privatvermietern.

Die Konzerne haben angekündigt, die Mieten weiter anzuheben. »Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte«, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch. Kritik wegen überhöhter Steigerungen weisen die Konzerne zurück: Wo es einen qualifizierten Mietspiegel gebe, habe man diesen anerkannt, sagt eine Vonovia-Sprecherin. Zuletzt habe man die Mieten eher moderat angehoben. Im Schnitt lägen sie bei rund sechs Euro/Quadratmeter kalt. Zu Mieterhöhungen von im Schnitt 1,5 Prozent kamen 2016 noch 1,8 Prozent mehr nach Modernisierungen. LEG Immobilien hat die Mieten um 2,5 Prozent auf 5,34 Euro kalt angehoben, die Deutsche Wohnen um 2,9 Prozent auf 6,09 Euro.

»Der Trend ist, dass die Mieten weiter steigen«, sagt Silke Gottschalk vom Mieterbund. Vonovia-Mieter hätten »ganz ordentliche« Erhöhungen verkraften müssen. Aber steigen die Mieten stärker als anderswo? Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, sieht das nicht. Er hat auf Basis von 300 000 Wohnungsinseraten in den zehn größten Städten Nordrhein-Westfalens untersucht, wie die Mieten bei verschiedenen Anbietern ausfallen. Sein Fazit: »Die Durchschnittsmieten bei privaten Wohnungsunternehmen sind ähnlich hoch wie bei öffentlichen Verwaltern.« Auch kommunale Firmen schauten auf die Rendite. Zwar sagt die Studie nichts über die Republik, doch in NRW sind Vonovia und LEG mit vielen Wohnungen vertreten. Selbst 2015, als Vonovia Gagfah schluckte, habe das Kartellamt keine marktbeherrschende Stellung moniert, so Voigtländer. Auch die Monopolkommission, die die Entwicklung der Mieten beobachte, erhebe keine Einwände.

Mieterschützerin Gottschalk stellt indes fest, dass Wohnungsgesellschaften Mieterhöhungen mit »allen rechtlichen Hebeln« durchsetzen. »Die Großen sind viel professioneller.« So werde bei Erhöhungen oft nicht der Mietspiegel zugrunde gelegt, sondern mit Vergleichswohnungen argumentiert. Sie kritisiert, dass Sanierungen die Mieten treiben. So will Vonovia jährlich eine Milliarde Euro in Neubau und Modernisierung stecken. Während Mieterschützer früher oft die Vernachlässigung von Wohnungen anprangerten, gebe es heute Streit um Modernisierungen, so Gottschalk. Es sei schwierig abzugrenzen, ob es sich um Instandhaltungen handele, die Vermieter tragen müssten. Nach dem Einbau neuer Fenster oder Bäder würden sieben bis acht Prozent der Kosten auf die Kaltmiete umgelegt - eine hohe Belastung für Einkommensschwächere.

In Regionalmärkten könnten Konzerne schon Einfluss haben, sagt Stefan Mitropoulos, Immobilienexperte bei der Landesbank Helaba. So hat Vonovia in Bochum und Bremen einen Marktanteil von bis zu 20 Prozent, die Deutsche Wohnen zählt zu den größten Vermietern in Berlin. »In diesen Bereichen hat die Strategie der Konzerne schon eine Wirkung, aber eben keine marktbeherrschende.«

Das Wachstum der Mega-Verwalter über Großkäufe scheint indes vorüber. Es gebe einen Trend zu öffentlichem Eigentum, sagt Vornholz. »Städte wollen kommunale Wohnungsgesellschaften nicht mehr veräußern und so politische Steuerungsinstrumente nicht aus der Hand geben.« Auch habe sich der Haushalt vieler Kommunen verbessert. dpa/nd