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Auf Opium folgt Kautschuk

Mai Yang Pala - der Heveabaum - löste in Nordlaos ein Gummifieber aus

  • Alfred Michaelis, Luang Namtha
  • Lesedauer: 4 Min.
Yeng Ly greift das winklige Messer und setzt es an die Rinde des Baumes. Behutsam schält er schräg von unten nach oben einen schmalen Streifen heraus. Sofort quillt weißer Saft hervor und rinnt in eine Tonschüssel. Latex, der Saft des Heveabaumes, aus dem Naturkautschuk gemacht wird.
Mai Yang Pala heißt der Baum auf Laotisch. Fast ein Zauberwort im laotischen Norden. Mai Yang Pala verspricht Fortschritt und Wohlstand. Der wirtschaftliche Aufschwung in den nordlaotischen Bergen ist auf Gummi gebaut. Doch Geduld ist verlangt. Sieben Jahre dauert es, bis die gepflanzten Bäume das erste Mal angezapft werden können. Ihre volle Leistung erreichen sie nach 14 Jahren. Yeng Ly legt das Messer weg: »Nachts, wenn es kühl ist, fließt viel mehr Latex. Deshalb wird von zwei Uhr morgens bis Sonnenaufgang auf den Plantagen gearbeitet.« Ein Umstellung der gesamten Lebensgewohnheiten, sollte man meinen. Doch so neu ist das für viele Bergbewohner nicht. Bis vor wenigen Jahren erzeugten sie einen anderen Pflanzensaft, und der verlangte gleichfalls nächtliche Feldarbeit: Opium. Der Opiumanbau gilt heute in der volksdemokratischen Republik am Mekong als gänzlich überwunden. Mai Yang Pala ist eine der Alternativen. Das steht auch auf dem Schild am Haus von Yeng Lys Vater. »Pflanzprojekt zum Opiumersatz«, liest man dort auf Englisch, Laotisch und Chinesisch. Auf blauem Grund prangen die Flaggen von Laos und China neben den Logos der Antidrogenbehörden beider Staaten. Drei Hektar Baumschule und 3200 Hektar Gummiplantage sind die vereinbarten Ziele des Projekts, das von zwei Fimen aus dem nordlaotischen Luang Namtha und dem südchinesischen Mengla getragen wird. Die gesamte Produktion geht nach China. In Luang Namtha steht zwar auch eine kleine Fabrik, aber irgendwie funktioniert sie nicht. Sagt jedenfalls Yeng Ly. Yeng Ly gehört zum Volk der Hmong, das hier in den Bergen siedelt. Die meisten seiner Plantagen werden denn auch von Hmong bewirtschaftet. Yeng Lys Vater, dem die laotische Partnerfirma des Projekts gehört, war wohl der Gummipionier von Luang Namtha. Schließlich wachsen seine ältesten Plantagen schon seit zwölf Jahren und werden seit fünf Jahren zur Ader gelassen. Neben den firmeneigenen Wäldern haben viele Familien inzwischen eigene Pflanzungen angelegt. Im Schnitt ein Hektar pro Familie. Das ist die Größe, die sich erfahrungsgemäß bewirtschaften lässt. Angezapft werden die Bäume mindestens in jeder zweiten Nacht, was dazu führt, dass entlang der Baumreihen deutlich sichtbare Pfade ausgetreten sind. In Erdmulden gerinnt der weiße Saft zu kopfkissengroßen Paketen. Diese einfachste Methode bringt allerdings nur den billigsten Rohkautschuk, brauchbar allenfalls für die Reifenindustrie. Die ist in China im Aufschwung, wie eigentlich alles im Reich der Mitte. Yeng Ly sagt, verschiedene Zusatzkulturen seien denkbar. Mais zum Beispiel auf sehr jungen Plantagen, Kaffee oder Chili zwischen den älteren Bäumen. Aber er nutzt diese Möglichkeit noch nicht - er hat es nicht nötig. Den Gummizapfern in Laos bringt der Hektar im Monat rund 3000 Yuan, umgerechnet etwa 300 Euro. Eine stattliche Summe, wenn man bedenkt, dass das laotische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr derzeit bei 380 Euro liegt. Kein Wunder also, dass es simpel ist, die Bergbewohner von den Vorzügen des Superbaums zu überzeugen. Mai Yang Pala ersetzt das Opium als Einkommensquelle, dient der Aufforstung von Brandrodungsflächen, schafft Beschäftigung und Lohn für die Armen, erzielt Exportgewinne für die laotische Wirtschaft und Einnahmen aus Grundpacht und Steuer für den Staat. Dass auch Yeng Ly und seine Familie etwas davon haben, versteht sich von selbst. Die Bewegung hat inzwischen schon den ganzen Norden erfasst, lässt auch in den Nachbarprovinzen bis hinunter nach Luang Prabang eine Gummipflanzung nach der anderen entstehen. Dabei ist abzusehen, dass der Aufschwung auch seine Grenzen haben wird. Einerseits gibt es eben nur einen Abnehmer, nämlich China. Und ist dessen Kapazitätsgrenze erreicht, wird es schwer, andere Märkte für den Kautschuk zu erschließen, zumal vietnamesische Gummiproduzenten in Südlaos gleichfalls mit der Anlage von Plantagen begonnen haben. Auch die Grundweisheit der Marktwirtschaft hat sich noch nicht überall in Nordlaos herumgesprochen: Der Preis wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Klar also, was passiert, wenn das Angebot stärker wächst als der Bedarf. Yeng Ly ficht das nicht an. »Auch das Holz kann man für gutes Geld verkaufen«, sagt er. Gesetzt den Fall, es werden nicht tausende Hektar zugleich abgeholzt.
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