Huckepack bergauf und bergab

Oberweißbacher Bergbahn in Thüringen: Steigung von 25 Prozent und eine Länge von nur 1,38 Kilometer

  • Gottfried Walsch
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Raus aus dem Bus, rein in die Bahn. Die Urlauber haben nicht einmal die Muße, den prächtigen Bahnhof in Obstfelderschmiede anzusehen, ein restauriertes Fachwerkgebäude. Schon ruckt die Bahn an, gleitet langsam bergan. »Und wenn das Seil reißt«, fragt ein vorwitziger Fahrgast. »Dann verlangen wir Intercity-Zuschlag«, kontert Ronald Pforte.
Der untersetzte 42-Jährige mit dem kleinen Oberlippenbart nennt sich Bergbahnbediener. Bis vor sechs Jahren hat er im Gleisbau gearbeitet. Nun steht er am Steuerpult eines stufenförmigen Waggons, von dem zumindest noch das Fahrgestell aus den Gründerjahren der Bergbahn stammt. Die Rede ist von dem Unternehmen, das den umständlichen Namen Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn trägt.
Der Triebwagen macht langsame Fahrt. 15 bis 18 Minuten braucht er, um die 1,38 Kilometer bis zur 323 Meter höher gelegenen Bergstation zu überwinden. 25 Prozent Steigung! Ängstlichen Gemütern bietet Pforte unterdessen eine Bergbahnmedizin an. Und weil die Gesundheit immer teurer wird, kostet die Pulle mit dem kräftigenden Kräuterschnaps einen runden Euro. Auf halber Strecke streben die Schienen kurzzeitig auseinander. »Die Abt'sche Ausweiche«, erklärt der Bergbahnbediener. Alle Köpfe drehen sich nach rechts; denn in der Ausweiche kommt etwas entgegen, was die meisten Fahrgäste noch nicht gesehen haben - ein keilförmiger Unterbau, auf dem ein ganz normaler Eisenbahnwaggon thront, »Güterbühne mit Aufsetzwagen«, erläutert Ronald Pforte.
Auch die Bühne, die selbst Güterwagen bis zu 27 Tonnen transportieren kann, stammt noch aus den Anfängen der Bergbahn. Das war in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Schwarzatalbahn inmitten des Thüringer Waldes (nächste größere Stadt ist Bad Blankenburg) war 1900 in Betrieb gegangen. Aber Bergdörfer wie Lichtenhain, Deesbach und Oberweißbach profitierten kaum davon. Im Winter waren sie vom Tal oft gänzlich abgeschnitten. So wuchs langsam aber stetig die Idee, die Hochebene durch eine Standseilbahn zu erschließen. 1923 ging sie in Betrieb, zwischen Obstfelderschmiede im Tal und Lichtenhain auf dem Berg. »Oberweißbacher Bergbahn heißt sie, weil die Gemeinde das meiste Geld gegeben hat«, sagt Peter Möller, der Leiter der Bahn, mit einem Augenzwinkern. Die Fröbelstadt Oberweißbach ist nämlich erst nach Umsteigen in einen der drei speziell für die Bergbahn gebauten Triebwagen auf der elektrifizierten zweieinhalb Kilometer langen Flachstrecke nach Cursdorf zu erreichen. Für speziell Interessierte: Die Konzession zum Bau wurde seinerzeit für die gesamte Eisenbahnstrecke Nr. 6691 zwischen Obstfelderschmiede und Cursdorf erteilt.
In der Bergstation - auch hier dominiert Fachwerk - bittet Ronald Pforte die Besucher, sich das kleine Museum anzusehen. Auch Peter Möller führt gelegentlich Gäste. Dem Diplomingenieur hat es vor allem die Anordnung der beiden riesigen Treibscheiben quer zur Förderrichtung der Bahn angetan: »Einzigartig in Europa!« Besonders stolz ist Peter Möller, der die gesamte Bahn mit 28 Mitarbeitern betreibt, auf die um 2001 eingesetzte Modernisierung, die die Schwarzatalbahn in der romantischen Landschaft zwischen Rottenbach und Katzhütte einschloss. »Dort verkehren jetzt im Stundentakt ganz moderne Triebwagen«, sagt Möller.
Auf der denkmalgeschützten Bergbahn starten die Wagen aller halben Stunden. »Pendler gibt es immer weniger«, meint der Betriebsleiter. Drei Viertel aller Fahrgäste seien Touristen. »Deshalb werben wir um sie, auch im Winterhalbjahr, und warten auch schon mal paar Minuten, wenn ein Bus gerade auf den großen Parkplatz in Obstfelderschmiede einrollt.«

Infos: DB RegioNetz Verkehrs GmbH Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn, An der Bergbahn 1, 98746 Mellenbach-Glasbach, Tel. (036705)201 34, Fax -/201 35,
Internet: www.oberweissbache...

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