nd-aktuell.de / 24.04.2017 / Gesund leben / Seite 20

»Das ist mein Platz. Hier will ich sein.«

Belgier zieht in Einsiedelei von Saalfelden ein

Saalfelden. Leben ohne fließend Wasser und Strom: Ein 58 Jahre alter Belgier ist neuer Bewohner der in einen Fels gebauten Unterkunft einer Pfarrei in der Nähe von Salzburg. Der Einsiedler Stan Vanuytrecht, ein geweihter Diakon, setzte sich gegen 50 Bewerber durch, teilte die Gemeinde Saalfelden mit. »Er strahlt Ruhe aus und wirkt gefestigt«, begründete Bürgermeister Erich Rohrmoser die Wahl. Der neue Einsiedler, der Ende April einziehen will, weiß um die Herausforderungen.

Vanuytrecht sagte, er habe sich schon lange nach einem Leben als Einsiedler gesehnt. »Als ich von der Eremitage in Saalfelden gelesen habe, dachte ich mir: Das ist mein Platz. Hier will ich sein.« Die Stille morgens und abends sowie der Kontakt mit Besuchern tagsüber seien die ideale Kombination. Der Katholik war bei der belgischen Luftwaffe und in Deutschland stationiert, bevor er Vermessungstechnik studierte. Nebenberuflich engagierte er sich sozial und in der Kirche. Seit 2014 ist der zweifache Vater in Rente. Lohn bekommt der Einsiedler nicht, wie lange er bleibt, ist ihm überlassen.

Der neue Eremit hatte in seinem Leben oft die Rolle des Zuhörers. Er hat Obdachlose, Alkoholiker und Drogenabhängige betreut, als Diakon besuchte er Häftlinge im Gefängnis und Patienten in der Psychiatrie. »Diese Erfahrungen sind meiner Meinung nach für einen Einsiedler von Vorteil. Es ist wichtig, zuzuhören ohne selbst zu sprechen und ohne zu urteilen. Ich möchte mich nicht aufdrängen«, sagte er. Materielle Sicherheit war ihm zeitweise fremd. Nach der Scheidung von seiner Frau habe er mit sehr wenig auskommen müssen. »Ich war froh, wenn ich Geld für Essen hatte.« Auch heute noch lege er keinen Wert auf Luxus - er fährt einen Trabant.

Die Klause von Saalfelden liegt in 1400 Meter Höhe und ist mehr als 350 Jahre alt. Es ist eine der letzten bewohnten Einsiedeleien Europas. Die Felshöhle am Fuß des Steinernen Meeres ist im 17. Jahrhundert zu einer Kapelle ausgebaut worden. Von einem Leben in Einsamkeit kann für den Eremiten keine Rede sein: Die Einsiedelei zieht einen ständigen Strom von Pilgern an, die die Aussicht genießen, beten und jemanden suchen, mit dem sie reden können. dpa/nd