nd-aktuell.de / 10.02.2007 / Wissen

Magnetische Rohrpost ins Weltall

Mit einer Art Superkanone sollen Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen werden

Robert Meyer
Schon der Altmeister der Science-Fiction Jules Verne ließ seine Mondreisenden mit einer gigantischen Kanone ins All schießen. Auch wenn man bei der bemannten Raumfahrt schon wegen der extremen Anfangsbeschleunigung von Anfang an auf andere Transportmittel setzte, werden sogenannte Weltraumkatapulte als Alternative zu herkömmlichen Raketen immer wieder ins Gespräch gebracht. Diese sollen langfristig kostengünstiger und ökologischer sein - wird behauptet. Solche Projekte kommen besonders in den USA auf, wo diese Idee eine längere Tradition in der Waffentechnik hat. Schon in den 60er Jahren hat der Artilleriewissenschaftler Gerald Bull auf der Karibikinsel Barbados an einer Superkanone gearbeitet, mittels derer Satelliten ins All befördert werden sollten. Bull konkurrierte damals mit seinem »HARP«-Projekt (High Altitude Research Project) gegen die Raketen von Wernher von Braun, dessen Ideen sich durchsetzten. Nach einem Bericht in der Online-Ausgabe des britischen Wissenschaftsmagazins »New Scientist« will die US Air Force das Prinzip eines Teilchenbeschleunigers nutzen, um Objekte ins All zu befördern. In einem großen Ring aus supraleitenden Magneten sollen Satelliten auf enorme Geschwindigkeit beschleunigt und dann in den Orbit geschossen werden. Bisher nur eine Idee, die der amerikanischen Luftwaffe aber weitere Hunderttausende Dollar für eine Folgestudie wert sein soll. Diese wird von dem US-Unternehmen LaunchPoint Technologies durchgeführt. Die Planungen für dieses Weltraumkatapult sehen einen mehrere Kilometer langen, kreisförmigen Tunnel vor, der von supraleitenden Magneten umgeben ist. Diese erzeugen Felder, die die Satelliten innerhalb des Tunnels berührungsfrei in der Schwebe halten und gleichzeitig beschleunigen sollen. Das Prinzip ähnelt einer magnetischen Rohrpost. In der Theorie kämen die Satelliten damit auf eine Geschwindigkeit von bis zu zehn Kilometer pro Sekunde So beschleunigt werden sie dann auf eine Art Sprungschanze geleitet. Die theoretische Startgeschwindigkeit würde allein für das Erreichen der Erdumlaufbahn ausreichen, aber unter der Fluchtgeschwindigkeit der Erde (11 km/s) liegen. Eine kleine Rakete an ihrem hinteren Ende könnte sie schließlich auf die gewünschte Bahn bringen. Experten zufolge besteht ein großer Nachteil eines solchen Katapultes darin, dass die beschleunigten Satelliten sehr robust sein müssen, weil sie gigantischen Kräften ausgesetzt sind. Auf Objekte, die mit zehn Kilometern pro Sekunde im Kreis fliegen, wirke eine Zentrifugalkraft, die dem Zehntausendfachen der Erdanziehung entspräche. Zudem wären die Satelliten beim Durchdringen der unteren, dichten Atmosphärenschichten massiven Reibungskräften ausgesetzt und bräuchten einen starken Hitzeschutzschild schon in der Startphase. Diese Schutzverkleidung dürfte schon einen Großteil der Gesamtmasse ausmachen. Kritiker befürchten, dass es der US-Air-Force weniger darum gehen soll, Satelliten ins All zu befördern, sondern mehr um die Waffentauglichkeit des Katapultes. Spekuliert wird unter anderem dahingehend, dass mit einem solchen Katapult eine Art Schrotgeschosse in die Erdumlaufbahn gebracht werden könnten, um Satelliten zu zerstören. Die US-Luftwaffe wiederum argumentiert Medienberichten nach mit den verminderten Startkosten für Satelliten, falls das Katapult irgendwann funktioniert. Gegenwärtige Raketenstarts sollen mehrere tausend Dollar pro Kilogramm Nutzlast kosten, mit dem Weltraumkatapult sollen die Kosten enorm gedrückt werden. Selbst die Schleudertechnik antiker Hammerwerfer wird derzeit an der Tennessee Technological University auf ihre Tauglichkeit fürs Weltall untersucht. Bei »Mxer« (tethers.com) - einer Schleuder mit Schwungmasse - soll ein ca. 150 Kilometer langes in den Orbit gebrachtes Seil durch Solarenergie in Kreisbewegung versetzt werden. An den Enden des Seils, das um seinen Mittelpunkt rotiert, befindet sich eine Vorrichtung zum Ankoppeln von Satelliten oder Transportkapseln. Diese werden durch die Drehbewegung des Seils beschleunigt und dann abgekoppelt, so dass sie ihr Ziel viel schneller als mit Raketen und ohne Einsatz von teurem Treibstoff erreichen sollen. Experten nach ist der Einsatzbereich von »Mxer« durch die Abhängigkeit vom Erdmagnetfeld eingeschränkt. Das System soll nur in einer Höhe bis zu 1000 Kilometern funktionieren. Das größte Manko einer solchen Konstruktion wär derzeit allerdings das Fehlen eines geeigneten Seils, an dem schon die vom Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke skizzierte Idee eines Weltraumfahrstuhls bisher gescheitert ist. Ein weiteres interessant klingendes Projekt aus den 90er Jahren ist der sogenannte Hydro Pneumatic Accelerator (Hypacc), Objekte sollen dabei wie in einem gigantischen Luftgewehr durch die Kraft komprimierter Luft ins All gebracht werden.